Die Vergessenen. Thriller (German Edition)
Widerstandsgruppe hin, der sie anscheinend selbst angehört hat. Des Weiteren berichtet sie von einem SS-Offizier, der in Mannheim für die Gestapo gearbeitet hat und der seit Ende des Zweiten Weltkriegs verschwunden ist. Friedrich Schulze.
Frau Maibaum behauptet in dem Schreiben, Schulze wäre mit neuer Identität in Spanien untergetaucht und sie hätte ihn bereits Jahre zuvor aufgespürt. Weitere Informationen würde sie dem Institut auf Anfrage gern zukommen lassen.
Der Brief war in einem Ordner abgeheftet, in dem Zusendungen von Zeitzeugen aufbewahrt werden, die sich auf einen Aufruf des Instituts im Juni 1977 hin gemeldet haben. Dies legt die Vermutung nahe, dass Klara Maibaums Schreiben aufgrund der Ablage niemals richtig bearbeitet worden ist.
Wie von Frau Maibaum nahegelegt gibt es keine Information über eine Mannheimer Widerstandsgruppe, die die im Schriftstück beschriebenen Merkmale aufweist. Einen Nachweis für den Namen Friedrich Schulze erhielt ich hingegen auf Anfrage von der Ludwigsburger Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen.
Besagter Schulze wird immer noch gesucht aufgrund seiner Beteiligung an den 1942 durchgeführten Massenerschießungen von Juden in den Ostgebieten. Später arbeitete er für die Gestapo in Mannheim.
Ich begann, nach Klara Maibaum zu suchen, denn ich wollte herausfinden, wer diese Frau ist, wo sie sich aufhält und ob sie überhaupt noch lebt. Weder in Hamburg noch sonst irgendwo in Deutschland konnte ich sie ausfindig machen. Dennoch verfolgte ich die Sache weiter.
Kimski sieht von dem Papierstapel auf und lehnt sich auf der Parkbank zurück, auf der er sich niedergelassen hat. Nun ist also auch die letzte Widerstandskämpferin aufgetaucht, Klara Maibaum.
Maibaum. Irgendwo hat er diesen Namen in den letzten Tagen gelesen. Aber wo? Denn so verbreitet wird er wahrscheinlich nicht sein.
»Ach du Scheiße!«, ruft er plötzlich. Er legt die Doktorarbeit zur Seite und holt den Geldbeutel aus seiner Gesäßtasche hervor. Er klappt ihn auf und zieht die Visitenkarte Kampowskis Pflegers heraus, die er im Schummerlicht einer Straßenlaterne betrachtet. Sebastian Maibaum. Neurologe.
Darunter steht keine Adresse, nur eine Mobilnummer und eine E-Mail-Adresse.
Es dauert ein paar Minuten, bis Kimski eine Telefonzelle findet. Ein Kartentelefon, natürlich, aber das sollte kein Problem sein. Er hat seit über fünf Jahren eine Telefonkarte in seinem Geldbeutel, deren Guthaben noch immer nicht aufgebraucht ist. Aber soll er Sebastian wirklich anrufen und mit dem, was er weiß, konfrontieren? Womit aber genau?
Er muss ihn anrufen, was hat er denn für eine Wahl? Man kann Handys orten lassen, wofür ihm allerdings die Mittel fehlen. Und die Zeit, denn er muss herausfinden, was mit Eva passiert ist.
Er nimmt die Visitenkarte und wählt die angegebene Nummer. Kimski sieht auf die Uhr, 4.35 Uhr. Es tutet nur zweimal, dann hebt jemand ab.
»Ja?«
Die Stimme klingt nicht verschlafen, sondern eher danach, dass der, dem sie gehört, in dieser Nacht ebenso wenig ins Bett gekommen ist wie Kimski.
»Was ist mit Eva?«
Keine langen Vorreden.
»Oh, hallo! Kimski, sind Sie das?«
»Ja.«
»Was für eine Überraschung. Von wo aus rufen Sie an?«
»Von einer Telefonzelle. Was ist mit Eva?«
Jetzt fängt er an, sich zu wiederholen.
»Gut. Ich dachte schon, Sie wären in Polizeigewahrsam. Dann wäre es nämlich keine so gute Idee, mich anzurufen.«
»Das war ich auch schon.«
Wie kommt Sebastian darauf, dass er in Polizeigewahrsam sein könnte? Wie viel Einblick hat er in die Ermittlungen?
»Sie waren schon in Polizeigewahrsam?« Sebastian klingt etwas irritiert. »Die haben Sie wieder gehen lassen?«
»Wieso nicht? Sollten die mich etwa da behalten? Was ist mit Eva?«
»Sie brauchen sich keine Sorgen um sie zu machen.«
»Mach ich aber trotzdem. Hören Sie ...« Kimski hat eine Idee. Er muss bluffen und darf nur nicht zu sehr daneben liegen. »Ich kann beweisen, dass Sie den alten Kampowski umgebracht haben. Und jetzt bin ich gerade auf dem Weg zurück ins Präsidium, um die Beweise zu präsentieren.«
»Das ist doch Unsinn. Sie können denen gar nichts vorlegen.«
Sebastians Stimme klingt für einen Moment unsicher, als hätte Kimski ihn überrumpeln können. War das schon ein Schuldeingeständnis, ist er auf dem richtigen Weg?
»Das werden wir ja sehen«, sagt Kimski und holt tief Luft. »Sie sind sich ja sehr sicher, Sie
Weitere Kostenlose Bücher