Die Vergessenen. Thriller (German Edition)
in einigermaßen gutem Zustand.
Er drückt die Tür zu und öffnet sie dann wieder, um zu sehen, ob sie noch schließt. Er sieht sich weiter im Flur um. Auf einer Kommode entdeckt er einen Schlüsselbund und nimmt ihn in die Hand. Er sieht durch den Türrahmen zu Franz ins Schlafzimmer.
»Dein Hausschlüssel?«
»Ja, aber, die Handschellen. Kollege!«
Kimski hört ihm nicht zu, nimmt stattdessen einen Zettel vom Notizblock, der ebenfalls auf der Kommode liegt, und einen Stift und schreibt etwas auf. Seine Notizen nimmt er mit und winkt Franz zu, bevor er die Wohnung verlässt. Die Tür zieht er hinter sich zu.
Kimski tritt vor die Haustür und betrachtet die Briefkästen. Den Schlüsselbund versenkt er zusammen mit dem Zettel, auf den er Bitte Franz füttern ! geschrieben hat, in den Kasten von Frau Schmidt. Die Hausbesitzerin mag vielleicht taub sein, aber blind ist sie sicherlich noch nicht.
36.
August 1968
Marbella
Das Taxi hielt auf der schmalen Landstraße in der Nähe der kleinen Villa. Sie hatte wieder vor besagtem Haus gesessen, drei Tage in Folge. Dann war auch er wieder aufgetaucht. Als er das Haus verließ, war sie ihm gefolgt. Er war in ein Auto gestiegen und losgefahren. Klara hatte sich ein Taxi genommen und fuhr ihm hinterher, aus der Stadt hinaus.
Sie bezahlte und stieg aus. Als sich der Wagen auf der Straße entfernte, blickte sie ihm noch einen Moment nach. Das Anwesen lag einsam auf einem kahlen Feld, weit und breit waren keine anderen Häuser in Sicht. Die Sonne ging bereits hinter den Hügeln unter und tauchte die ganze Ebene in ein unwirkliches Dämmerlicht.
Klara lief los, sie näherte sich dem Haus von der Seite. Auf der Rückseite befanden sich ein kleiner Garten und ein Swimmingpool. Das Gartentor stand offen. Sie zögerte nicht, sondern betrat das Grundstück. Deswegen war sie doch hergekommen, oder nicht? Was sollte sie hier noch, wenn sie nicht bereit war, Schulze zu konfrontieren?
Sie zitterte, was sie zuerst gar nicht bemerkte. Als sie aber auf der Veranda zum Stehen kam und durch die Glasfront in das Wohnzimmer blickte, war es ganz deutlich zu spüren. War es das, was sie wollte? Und was erwartete sie eigentlich? Dass Schulze alles zugab, und dann? So weit hatte sie bislang noch nicht gedacht.
Als sie die Glastür ins Haus aufschob, musste sie unwillkürlich daran denken, dass sie nicht einmal bewaffnet war. Wie konnte sie nur so dumm sein, wie sollte sie sich gegebenenfalls verteidigen? All
die Geschichten, die Eugen ihr erzählt hatte, fielen ihr wieder ein.
Dieser Mann war gefährlich.
Irgendwo im Haus hörte sie das Rauschen einer Dusche. In der Mitte des Wohnzimmers blieb sie stehen und rührte sich nicht mehr. Nach etwa drei Minuten kam er herein. Nackt, lediglich ein Handtuch um die Hüften gewickelt und ein zweites in der Hand, mit dem er sich das Haar trocknete. Als er sie sah, blieb er wie angewurzelt stehen und starrte sie an.
»Friedrich Schulze?«
»Kenn ich nicht«, sagte er gelassen und ging zum Sideboard, um sich einen Drink einzuschenken, als würde er jeden Tag Besuch dieser Art bekommen.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
Klara schüttelte den Kopf. »Sie waren 1945 in Mannheim bei der Gestapo.«
»Wie kommen Sie darauf?«
Er lehnte sich an einen Barhocker und setzte ein breites Lächeln auf, ein waschechter Playboy. Sie wurde unsicher, wusste nicht, was sie entgegnen sollte, denn es gelang ihm, sie mit seinem Gesichtsausdruck und der aufgesetzten Freundlichkeit zu entwaffnen. Und genau das war es, was er wollte.
»Sie waren 1945 in Mannheim bei der Gestapo«, wiederholte sie schließlich, diesmal mit mehr Nachdruck.
»Kommen Sie«, sagte er, ohne auf ihre Worte einzugehen. »Es ist ein wunderschöner Abend. Lassen Sie uns in den Garten gehen.«
Als er an ihr vorbeischritt, drehte er sich zu ihr um und lachte sie an. Dann trat er auf die Veranda und lief zum Pool. Sie konnte nichts anderes tun, als ihm zu folgen.
Einen Moment lang standen sie beide schweigend am Beckenrand. Sie beobachtete ihn und er starrte ins Wasser, um sich selbst zu betrachten.
»Sie haben mich also gefunden«, sagte er plötzlich frei heraus.
»Na und? Wen interessiert das heute noch?«
»Die deutschen Behörden interessiert es.«
»Ach ja!« Er lachte auf. »Sind Sie sich da ganz sicher? Wenn die mich hätten erwischen wollen, hätten sie jede Menge Gelegenheiten dazu gehabt.Wissen Sie, dass ich mehrmals im Jahr geschäftlich nach Deutschland reise?
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