Die vergessenen Welten 02 - Die verschlungenen Pfade
dann Mithril-Halle finden?«
»Ach, meine Heimat…« Bruenor legte sich bei dem Namen zurück und schien sich zu entspannen, als wüßte er, daß seine Träume ihn auf der finsteren Reise begleiten würden, die ihm bevorstand. »Du kommst also doch mit mir?«
»Natürlich«, stimmte Drizzt zu. Er sah mit der Bitte um Unterstützung zu Wulfgar und Catti-brie, aber die waren in ihre Trauer verloren und hielten die Augen abgewendet.
»Aber jetzt nicht, nein, nein«, erklärte Bruenor. »Würde nichts bringen, da der Winter so dicht bevorsteht!« Er hustete. »Im Frühling. Ja, im Frühling.« Seine Stimme verlor sich, und er schloß die Augen.
»Ja, mein Freund«, sagte Drizzt. »Im Frühling. Ich werde dich im Frühling in deine Heimat begleiten.«
Bruenor öffnete wieder die Augen, und ihr sterbender Glanz war wie weggeblasen von einem Hauch des alten Funkens. Ein zufriedenes Lächeln legte sich auf sein Gesicht, und Drizzt war glücklich, seinen sterbenden Freund getröstet zu haben.
Wieder sah der Dunkelelf zu Wulfgar und Catti-brie, und auch die beiden lächelten. Sie lächeln sich an, bemerkte Drizzt verwundert.
Plötzlich richtete sich Bruenor zu Drizzts Überraschung und Entsetzen auf und riß seine Verbände herunter.
»Da!« brüllte er zur Belustigung aller Anwesenden im Zelt. »Du hast es gesagt, und dafür habe ich Zeugen!«
Nachdem sich Drizzt vom ersten Schock erholt hatte, funkelte er Wulfgar wütend an. Der Barbar und Catti-brie versuchten krampfhaft, sich das Lachen zu verkneifen.
Wulfgar zuckte die Achseln und konnte sein Kichern nicht zurückhalten. »Bruenor hat mir angedroht, mich in Zwergenhöhe zurechtzustutzen, falls ich ein Wort verraten hätte.«
»Und das gleiche hat er mir auch gesagt!« fügte Catti-brie hinzu. Die zwei verschwanden schleunigst aus dem Zelt. »Eine Ratsversammlung in Bryn Shander«, erklärte Wulfgar eilig. Kaum waren sie aus dem Zelt, brachen sie in hemmungsloses Gelächter aus.
»Du sollst verdammt sein, Bruenor Heldenhammer!« fluchte der Dunkelelf. Aber dann konnte er sich nicht mehr zurückhalten, warf die Arme um den kugelrunden Zwerg und umarmte ihn.
»Erhol dich davon«, stöhnte Bruenor, der die Umarmung hinnahm. »Aber mach schnell. Wir haben im Winter eine Menge zu erledigen. Der Frühling wird schneller kommen, als du denkst, und am ersten warmen Tag brechen wir nach Mithril-Halle auf!«
»Wo immer das sein soll«, lachte Drizzt, dessen Erleichterung zu groß war, als daß er über den Trick wütend sein konnte.
»Wir werden es schon schaffen, Dunkelelf«, sagte Bruenor. »Wie immer.«
Nachwort
Für die Bewohner von Zehn-Städte und ihre barbarischen Verbündeten war der Winter nach dieser Schlacht eine schwere Zeit, aber dadurch, daß sie ihre Fähigkeiten und Hilfsmittel austauschten, konnten sie überleben. In den langen Monaten wurden viele Ratsversammlungen abgehalten, auf denen Cassius, Jensin Brent und Kemp die Bevölkerung von Zehn-Städte vertraten und Wulfgar und Revjak für die Barbarenstämme sprachen. Der erste Punkt der Tagesordnung war die offizielle Anerkennung des Bündnisses zwischen den beiden Völkern. Unter vergangene Geschehnisse wurde ein Schlußstrich gezogen, auch wenn auf beiden Seiten starke Einwände erhoben wurden.
Die Städte, die von Akar Kessells Armee unbehelligt geblieben waren, waren während des unbarmherzigen Winters mit Flüchtlingen überfüllt. Mit dem Wiederaufbau wurde bei den ersten Anzeichen des Frühlings begonnen. Als sich die Städte auf dem Weg der Erholung befanden und nachdem die von Wulfgar entsandte Barbarenexpedition mit dem Drachenschatz zurückgekehrt war, wurden Versammlungen abgehalten, in denen die Aufteilung der Städte unter den Überlebenden geregelt wurde. Ohne die gebieterische Ausstrahlung von Wulfgar und die unentwegte Ruhe und Gelassenheit von Cassius wären die Verhandlungen zwischen den beiden Völkern mehrmals beinahe gescheitert.
Als schließlich alles geklärt war, erhielten die Barbaren die Städte Bremen und Caer-Konig zum Wiederaufbau. Die Obdachlosen aus Caer-Konig wurden in die wiederaufgebaute Stadt Caer-Dineval umgesiedelt, und den Flüchtlingen von Bremen, die nicht mit den Stämmen zusammenleben wollten, wurden Häuser in der neugebauten Stadt Targos zur Verfügung gestellt.
Es war eine schwierige Zeit, als die alten Feinde gezwungen waren, ihre Streitigkeiten zu begraben und in engen Quartieren zusammenzuleben. Auch wenn sie die Schlacht gewonnen hatten, konnten
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