Die vergessenen Welten 04 - Das Tal der Dunkelheit
leidenschaftlich auf Rache, was auch die ganzen Jahre in ihm geschwelt hat.«
»Er hat Angst«, stellte Wulfgar fest.
Drizzt nickte. »Dies ist für ihn eine entscheidende Prüfung. In dem Schwur, nach Mithril-Halle zurückzukehren, ist der ganze Sinn seines Lebens enthalten.«
»Er drängte zu sehr«, sagte Wulfgar mit einem Blick auf Regis, der gleich nach dem Abendessen vor Erschöpfung zusammengebrochen war. »Der Halbling kann das Tempo nicht halten.«
»Wir haben weniger als einen Tag vor uns«, antwortete Drizzt. »Regis wird es überleben, so wie wir alle.« Er klopfte dem Barbaren auf die Schulter, und Wulfgar, der davon zwar nicht ganz überzeugt war, sich aber mit der Tatsache abfand, daß er den Zwerg ohnehin nicht beeinflussen konnte, legte sich zur Ruhe. Drizzt sah zu dem Zwerg hinüber, der immer noch auf und ab schritt. Sein dunkles Gesicht trug jetzt den Ausdruck viel tieferer Sorge, als er dem jungen Barbaren offenbart hatte.
Um Regis machte sich Drizzt wirklich keine Sorgen. Der Halbling fand in einer schwierigen Situation stets einen Weg, besser davonzukommen, als er eigentlich sollte. Aber Bruenor bereitete ihm Kummer. Er erinnerte sich daran, wie es war, als der Zwerg Aegisfang, den machtvollen Kriegshammer, geschmiedet hatte. Diese Waffe war ein unerreichtes Meisterstück in Bruenors Schaffen als hervorragender Kunsthandwerker gewesen; es war eine Waffe, die würdig war, in den Legenden besungen zu werden. Bruenor konnte nicht hoffen, diese Leistung noch einmal zu übertreffen oder eine gleichwertige zu vollbringen. Der Zwerg hatte danach niemals wieder einen Hammer auf einen Amboß gelegt.
Und jetzt die Reise nach Mithril-Halle, Bruenors lebenslanger Traum! So wie Aegisfang Bruenors Meisterstück gewesen war, war diese Reise wie das Erklettern eines sehr hohen Berges. Der Kern seiner Sorge betraf einen sehr heimtückischen und gefährlichen Aspekt und hatte nicht so sehr mit dem Erfolg oder Mißlingen der Sache zu tun. Die Gefahren dieser Reise belasteten sie alle gleich, aber sie hatten sich vor Beginn der Reise freiwillig darauf eingelassen. Ob die uralten Hallen zurückgefordert werden würden oder nicht, Bruenors Berg würde auf jeden Fall erklommen werden. Der Augenblick seines höchsten Ruhms würde danach aber vorbei sein.
»Beruhige dich, guter Freund«, sagte Drizzt, der zu dem Zwerg hinübergegangen war.
»Es ist meine Heimat, Elf!« herrschte Bruenor ihn an. Er schien sich aber ein wenig zu fassen.
»Ich verstehe dich schon«, erwiderte Drizzt. »Es sieht so aus, als ob wir Mithril-Halle wirklich finden werden, und das wirft eine Frage auf, die wir jetzt bald beantworten müssen.«
Bruenor sah ihn neugierig an, obwohl er wußte, worauf Drizzt hinauswollte.
»Bis jetzt haben wir uns nur damit beschäftigt, Mithril-Halle zu finden. Wir haben aber noch nie darüber gesprochen, was wir unternehmen, wenn wir sie gefunden haben.«
»Bei allem, was recht ist, ich bin König von Mithril-Halle«, knurrte Bruenor.
»Da stimme ich mit dir überein«, sagte der Dunkelelf, »aber was ist mit der Dunkelheit, die dort vielleicht noch immer herrscht? Es ist eine Kraft, die deine ganze Sippe aus den Minen vertrieben hat. Sollen wir vier sie allein besiegen?«
»Sie ist vielleicht schon von sich aus gegangen, Elf«, erwiderte Bruenor mürrisch, da er sich mit diesen Möglichkeiten nicht auseinandersetzen wollte. »Nach allem, was wir wissen, können die Minen auch wieder geräumt sein.«
»Vielleicht. Aber was für Pläne hast du für den Fall, daß die Dunkelheit noch da ist?«
Bruenor hielt einen Augenblick inne und überlegte. »Wir werden eine Nachricht nach Eiswindtal senden«, antwortete er. »Meine Männer können schon im Frühling bei uns sein.«
»Kaum hundert Mann«, erinnerte ihn Drizzt.
»Dann bitte ich Adbar um Hilfe, falls wir mehr Leute brauchen«, keifte Bruenor. »Harbromm wird uns gerne helfen, wenn ihm Reichtümer in Aussicht gestellt werden.«
Drizzt wußte, daß Bruenor ein solches Versprechen nicht so schnell geben würde, aber er beschloß, diese Flut beunruhigender, aber notwendiger Fragen zu beenden. »Schlaf gut«, wünschte er dem Zwerg. »Du wirst zur rechten Zeit deine Antworten finden.«
Am Morgen des nächsten Tages war ihr Tempo weniger hektisch. Schon bald ragte das Gebirge über ihnen auf, und eine neue Veränderung wurde an dem Zwerg bemerkbar. Plötzlich hielt er inne. Er war offensichtlich benommen und kämpfte um sein Gleichgewicht. Wulfgar
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