Die vergessenen Welten 04 - Das Tal der Dunkelheit
Dumathoin und all seinen Göttern und Helden sahen von der Decke auf ihn herab und spendeten ihm ein wenig Trost gegen die Wogen der Tragödie, die über ihn hereingebrochen war. Zwergenrüstungen und raffiniert gearbeitete Äxte und Kriegshämmer umgaben ihn, und er schwelgte in der gewaltigen Pracht und den hervorragenden Leistungen seines stolzen Volkes.
Doch die Bilder konnten nicht das Entsetzen vertreiben, an das er sich plötzlich wieder erinnerte. Er sah den Untergang seiner Sippe, von Mithril-Halle und den seines Vaters wieder vor Augen.
»Tageslicht!« schrie er, hin- und hergerissen zwischen Trost und Trauer. »O weh, mein Vater und meines Vaters Vater! Aber der Erfolg unserer Flucht ist in Reichweite! Siedelstein ...« Einen Augenblick verblaßte die Erinnerung, war er reglos. »... wird uns Zuflucht gewähren. Welcher Verlust, welcher Verlust! Wo ist eine Zuflucht?«
»Der Preis ist hoch«, seufzte Wulfgar, den die Qualen des Zwerges schmerzten.
»Er ist willens, diesen Preis zu zahlen«, erwiderte Drizzt.
»Aber er ist zu hoch, wenn wir nichts erfahren«, sagte Regis. »Aus diesem unzusammenhängenden Gerede kann man nichts erfahren. Sollen wir einfach herumsitzen und gegen alle Vernunft einfach nur hoffen?«
»Seine Erinnerungen haben ihn bereits nach Siedelstein gebracht, aber er hat den Weg dorthin nicht erwähnt«, stellte Wulfgar fest.
Drizzt nahm einen Krummsäbel in die Hand und zog die Kapuze seines Umhangs tief in sein Gesicht.
»Was?« begann Regis zu fragen, aber der Dunkelelf hatte bereits einen Entschluß gefaßt. Er eilte zu Bruenors Seite und kam mit dem Gesicht dicht an die schweißgebadete Wange des Zwerges heran.
»Ich bin ein Freund«, flüsterte er Bruenor zu. »Gekommen auf die Nachricht, daß die Halle erobert wurde! Meine Verbündeten warten! Die Rache wird unser sein, mächtiger Zwerg der Sippe Heldenhammer! Zeig uns den Weg, damit wir den Ruhm der Halle wiederherstellen können!«
»Geheimnis«, keuchte Bruenor, der nur halb bei Bewußtsein war.
Drizzt bedrängte ihn noch heftiger. »Die Zeit ist knapp! Die Dunkelheit senkt sich nieder!« rief er. »Der Weg, Zwerg! Wir müssen den Weg wissen!«
Bruenor murmelte etwas Unverständliches, und die Freunde seufzten, als sie erkannten, daß der Dunkelelf die letzte Schranke durchbrochen hatte, die Bruenor daran gehindert hatte, die Halle zu finden.
»Lauter!« forderte Drizzt.
»Der Vierte Gipfel!« schrie Bruenor zurück. »Hoch oben auf dem Paß, und dann in das Tal der Hüter!«
Drizzt sah zu Altnacht hinüber, der zur Bestätigung nickte, und dann wandte er sich wieder an Bruenor. »Ruh dich aus, mächtiger Zwerg«, sagte er tröstend zu ihm. »Deine Sippe wird gerächt werden!«
»Nach der Beschreibung in dem Buch über Siedelstein kann sich der Vierte Gipfel nur auf einen Ort beziehen«, erklärte Altnacht Drizzt und Wulfgar, als sie wieder in der Bibliothek waren. Regis war im Saal der Zwerge geblieben und wachte über Bruenors unruhigen Schlaf.
Der Herold zog einen Schriftrollenbehälter aus einem hohen Regal hervor und entnahm ihm ein uraltes Pergament. Es war eine Karte vom mittleren Norden zwischen Silbrigmond und Mirabar.
»Die einzige Zwergensiedlung in der Zeit von Mithril-Halle auf der Erdoberfläche und dicht genug an einem Gebirge, deren Gipfel Nummern trugen, liegt hier«, sagte er und zeigte auf den südlichsten Gipfel des Ausläufers im Süden vom Grat der Welt, etwas nördlich von Nesme und dem Ewigen Moor. »Diese verlassene Stadt aus Stein wird inzwischen nur noch die ›Ruinen‹ genannt, und sie war sonst immer als Zwergendarrows bekannt, als die bärtige Rasse dort noch lebte. Und obwohl das Gerede eures Kameraden sehr unzusammenhängend war, hat es mich überzeugt, daß es sich wirklich um Siedelstein handelt, von dem das Buch spricht.«
»Aber warum wird es in dem Buch nicht auch Zwergendarrows genannt?« fragte Wulfgar.
»Zwerge sind eine verschwiegene Rasse«, erklärte Altnacht mit einem wissenden Kichern, »vor allem wenn es um ihre Reichtümer geht. Garumn von Mithril-Halle war sicher fest entschlossen, seinen Fundort vor der gierigen Außenwelt geheimzuhalten. Er und Elmor in Siedelstein haben damals ohne Zweifel eine Übereinkunft getroffen und sich komplizierte Codes und Kunstnamen für ihre Umgebung ausgedacht. Das alles, um habgieriges Volk in die Irre zu führen. Das sind Namen, die jetzt in den Geschichtsbüchern der Zwerge ohne Zusammenhang an verschiedenen Stellen
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