Die vergessenen Welten 05 - Der magische Stein
soviel Anreize — und zehnmal soviel Ärger — bot.
Wulfgar faßte sich ein wenig, und Drizzt blieb nichts anderes übrig, als auf sein Vertrauen in den jungen Krieger zu bauen. Der Dunkelelf stand vor eigenen Problemen, einem persönlichen Kampf, den er nun mit sich abzumachen hatte. Zaudernd holte er die magische Maske aus seiner Gürteltasche hervor.
Wulfgar verstand den Grund für die zögernden Bewegungen des Dunkelelfen und betrachtete seinen Freund mit aufrichtigem Mitgefühl. Er wußte nicht, ob er so tapfer sein könnte — selbst wenn Regis' Leben von solch einer Entscheidung abhing.
Drizzt drehte die nichtssagende Maske in seinen Händen und machte sich Gedanken über die Grenzen ihrer Magie. Er konnte spüren, daß sie kein gewöhnlicher Gegenstand war. Unter seinen empfindsamen Fingern fühlte er ihre prickelnde Kraft. Würde sie ihn einfach nur seines Aussehens berauben? Oder würde sie ihm auch sein Wesen nehmen? Er hatte von anderen, angeblich nützlichen magischen Gegenständen gehört, die man nicht mehr entfernen konnte, sobald man sie einmal aufgesetzt hatte.
»Vielleicht werden sie dich so nehmen, wie du bist«, meinte Wulfgar hoffnungsvoll.
Drizzt seufzte und lächelte. Er hatte seinen Entschluß gefaßt. »Nein«, seufzte er. »Die Soldaten in Tiefwasser werden keinen Dunkelelfen in die Stadt lassen, und kein Kapitän wird mich auf die Fahrt in den Süden mitnehmen.« Ohne weiter zu zögern, legte er die Gesichtsmaske an.
Einen Augenblick lang geschah gar nichts, und Drizzt fragte sich schon, ob all seine Sorgen umsonst gewesen waren und ob die Maske nicht in Wirklichkeit eine Täuschung war. »Nichts«, kicherte er nervös nach einigen weiteren Sekunden mit einer zaghaften Erleichterung in der Stimme. »Sie funk...« Drizzt brach mitten im Satz ab, als er Wulfgars verblüfften Gesichtsausdruck sah.
Wulfgar stöberte in seinem Rucksack und holte einen glänzenden Metallbecher hervor. »Überzeuge dich selbst«, forderte er Drizzt auf und reichte ihm den behelfsmäßigen Spiegel.
Drizzt nahm den Becher mit zitternden Händen entgegen — Hände, die noch mehr zitterten, als er sah, daß sie nicht mehr schwarz waren — und hob ihn vor das Gesicht. Das Spiegelbild war dürftig — im Morgenlicht für die Nachtaugen des Dunkelelfen noch dürftiger —, aber Drizzt konnte das Bild nicht verkennen. Seine Gesichtszüge waren unverändert geblieben, aber seine schwarze Haut hatte jetzt den goldenen Ton der oberirdischen Elfen. Und sein wallendes Haar, einst schneeweiß, war jetzt von glänzendem Gelb, so leuchtend, als hätte es die Sonnenstrahlen erfaßt und festgehalten.
Aber die Farbe seiner Augen war geblieben, dieses tiefgründige, leuchtende Blauviolett. Keine Magie konnte ihren Glanz trüben, und Drizzt verspürte eine gewisse Erleichterung, daß seine Seele offensichtlich von der äußeren Veränderung unberührt geblieben war.
Aber dennoch wußte er nicht, wie er mit diesem Wechsel umgehen sollte. Verlegen sah er Wulfgar an und suchte bei ihm Zustimmung.
Wulfgar hatte einen säuerlichen Gesichtsausdruck bekommen. »Nach allen mir bekannten Maßstäben bist du jetzt ein gutaussehender Elfenkrieger«, antwortete er. »Und bestimmt werden ein oder auch zwei Mädchen erröten und die Augen abwenden, wenn du an ihnen vorbeigehst.«
Drizzt sah zu Boden und versuchte, sein Unbehagen über diese Beurteilung zu verbergen.
»Aber es gefällt mir nicht«, fuhr Wulfgar aufrichtig fort, »überhaupt nicht.« Drizzt sah unsicher, fast schüchtern zu ihm hinüber.
»Und der Ausdruck auf deinem Gesicht, dieses Unbehagen, das dich offenbar erfüllt, gefällt mir noch weniger«, sprach Wulfgar weiter, der offensichtlich ziemlich verwirrt war. »Ich bin ein Krieger, der es furchtlos mit Riesen und Drachen aufgenommen hat. Aber ich würde allein bei der Vorstellung erbleichen, gegen Drizzt Do'Urden kämpfen zu wollen. Vergiß nicht, wer du bist, edler Dunkelelf.«
Ein Lächeln fand seinen Weg auf Drizzts Gesicht. »Ich danke dir, mein Freund«, sagte er. »Von allen Herausforderungen, denen ich begegnet bin, ist diese wohl die härteste.«
»Du gefällst mir besser ohne dieses Ding«, erklärte Wulfgar.
»Mir auch«, ertönte eine Stimme hinter ihnen. Sie drehten sich um und erblickten einen kräftigen, großen Mann mittleren Alters, der auf sie zukam. Sein Gang war lässig, er war einfach gekleidet und trug stolz einen ordentlich geschnittenen, schwarzen Bart. Auch seine Haare waren schwarz,
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