Die vergessenen Welten 07 - Das Vermächtnis
erwartet hatte.
Sein juwelenbesetzter Dolch war jedoch noch schneller und traf die Waffenhand des Drow hart genug, daß der Schuß weit danebenging. Der Dunkelelf knurrte unerschrocken und zog ein Paar scharfgeschliffener Schwerter.
Es erstaunte Entreri immer wieder, wie leicht es diesen Dunkelelfen fiel, mit zwei gleichlangen Waffen so gut zu kämpfen. Er riß seinen dünnen Ledergürtel aus der Hose, hielt ihn einmal übergeschlagen in seiner freien Hand und streckte ihn und sein Schwert aus, um seinen Gegner in Schach zu halten.
»Ihr seid auf Drizzts Seite«, beschuldigte ihn der Drow.
»Ich bin nur einfach nicht auf Eurer Seite«, berichtigte ihn Entreri. Der Drow griff ihn hart an, kreuzte seine Schwerter, zog sie zurückweichend wieder weit auseinander, um sie sofort im nächsten Vorstoß wieder zu überkreuzen, zwang Entreri, sie mit seinem eigenen Schwert abzuwehren und zog sich dann wieder zurück. Der Angriff wurde gewandt und täuschend schnell ausgeführt, aber Entreri bemerkte sofort den wichtigsten Unterschied zwischen diesem Drow und Drizzt, die feine Stufe an Geschick, die Drizzt - und auch Entreri, was das anbetraf - von diesen anderen Kämpfern abhob. Der doppelte Kreuzschlag war so gut vorgetragen worden, wie Entreri es nur jemals gesehen hatte, aber während der wenigen Sekunden, die er dafür benötigt hatte, hatte der Dunkelelf seine Deckung aufgegeben. Wie bei so vielen guten Kämpfern war die Technik dieses Kriegers eingleisig. Er war perfekt im Angriff und perfekt in der Verteidigung, aber nicht perfekt darin, beides zugleich zu tun.
Es war nur eine kleine Sache; die Schnelligkeit des Drow glich sie so gut aus, daß die meisten Kämpfer diese kleine Schwäche nicht einmal bemerkt hätten. Aber Entreri war nicht wie die meisten Kämpfer.
Erneut ging der Drow zum Angriff über. Ein Schwert zuckte direkt auf Entreris Gesicht zu, nur um im letzten Moment zur Seite geschlagen zu werden. Das zweite Schwert sauste direkt danach von unten heran, aber Entreri kehrte den Schwung seiner Waffe um und lenkte die zustoßende Spitze in den Boden.
Der Drow kämpfte mit fliegenden Schwertern, die sich auf jede scheinbare Öffnung stürzten, wild weiter, doch jeder Schlag wurde von Entreri mit dem Schwert abgewehrt oder fing sich in der Schlinge des Gürtels und wurde dann damit abgelenkt.
Und die ganze Zeit wich der Meuchelmörder bereitwillig zurück, nahm sich Zeit und wartete auf seine Gelegenheit zum Todeshieb.
Die Schwerter kreuzten sich, flogen auseinander und schossen wieder aufeinander und auf Entreris Bauch zu, als der Dunkelelf seinen ersten Angriff wiederholte.
Doch Entreris Verteidigung hatte sich geändert, und der Meuchelmörder bewegte sich mit plötzlicher, erschreckender Schnelligkeit.
Sein Gürtel schlang sich um die Spitze des Schwertes, das der Drow in der rechten Hand hielt und das gekreuzt unter dem anderen lag. Dann zog er heftig nach links, zog so beide Schwerter fest zusammen und zwang sie zur Seite.
Der Dunkelelf zog sich sofort zurück, und beide Schwerter lösten sich leicht von dem mißlichen Gürtel, aber der Drow brauchte den Bruchteil einer Sekunde, um aus seiner Angriffshaltung in eine wirksame Verteidigungsposition zu wechseln.
Entreris aufblitzendes Schwert benötigte diesen Sekundenbruchteil nicht. Hungrig senkte es sich in die entblößte linke Flanke des Drows, und die Spitze suchte sich ihren Weg in das weiche Fleisch unter dem Brustkorb.
Der verwundete Krieger taumelte mit böse zerschnittenem Bauch zurück, und Entreri drängte nicht nach, sondern nahm eine abwartende Haltung ein.
»Du bist tot«, sagte er sachlich, als der Drow darum kämpfte, stehen zu bleiben und seine Schwerter in Position zu halten.
Der Drow konnte dieser Behauptung nichts entgegensetzen, denn er konnte in seiner blendenden und brennenden Agonie nicht hoffen, den drohenden Angriff des Meuchelmörders abzuwehren. Er ließ seine Waffen zu Boden fallen und verkündete: »Ich ergebe mich.«
»Gut gesprochen«, gratulierte ihm Entreri, und dann versenkte der Meuchelmörder sein Schwert in das Herz seines törichten Gegners.
Er reinigte seine Klinge an dem Piwafwi seines Opfers, las seinen wertvollen Dolch wieder auf und wandte sich dann der Beobachtung des leeren Tunnels zu, der in beiden Richtungen über die Reichweite seiner etwas begrenzten Infravision hinaus recht geradlinig verlief. »Jetzt, mein teurer Drizzt«, sagte er laut, »sind die Dinge so, wie ich sie geplant habe.«
Weitere Kostenlose Bücher