Die vergessenen Welten 07 - Das Vermächtnis
Entreri lächelte und gratulierte sich selbst dazu, eine so gefährliche Situation so perfekt gemeistert zu haben.
»Ich habe die Abwasserkanäle von Calimhafen nicht vergessen, Drizzt Do'Urden!« schrie er, als sein Zorn plötzlich überkochte. »Und ich habe auch nichts verziehen!«
Entreri beruhigte sich sofort wieder, als er sich erinnerte, daß sein Zorn bei jener Gelegenheit seine Schwäche im Kampf mit Drizzt gewesen war.
»Nur Mut, mein respektierter Freund«, sagte er ruhig, »denn nun können wir unser Spiel so beginnen, wie es immer hätte sein sollen.«
* * *
Drizzt erreichte den Tunnel unter der Rutschenöffnung wieder, kurz nachdem Entreri ihn verlassen hatte. Als er die beiden Leichen sah, wußte er sofort, was vorgefallen war, und ihm war klar, daß nichts hiervon ein Unfall gewesen war. Drizzt hatte Entreri in der Kammer oben genarrt, als er sich geweigert hatte, das Spiel so zu spielen, wie es der Meuchelmörder wollte. Aber Entreri hatte Drizzts Zurückhaltung anscheinend vorhergesehen und einen alternativen Plan vorbereitet oder improvisiert.
Jetzt hatte er Drizzt, und nur Drizzt, in den unteren Tunneln - einer gegen einen. Und jetzt würde Drizzt, wenn sie aufeinandertrafen, mit vollem Einsatz kämpfen müssen, denn er wußte, daß er bei einem Sieg zumindest eine Chance hatte, seine Freiheit wiederzuerlangen.
Drizzt nickte mit dem Kopf und beglückwünschte im stillen seinen berechenbaren Feind.
Aber für Drizzt standen andere Dinge im Vordergrund als für Entreri. Das Ziel für den Dunkelelfen bestand hauptsächlich darin, einen Weg hier heraus zu finden, damit er zu seinen Freunden stoßen und ihnen in ihrer Not helfen konnte. Für Drizzt stellte Entreri nur einen Teil einer größeren Bedrohung dar.
Sollte er jedoch Entreri auf seinem Weg begegnen, so wollte Drizzt Do'Urden das Spiel beenden.
Geklärte Fronten
»Ich bin nicht zufrieden«, stellte Vierna fest, als sie mit Jarlaxle im Tunnel neben der herbeschworenen Eisenwand stand, unter der Cobbles zerquetschter Leichnam lag.
»Habt Ihr geglaubt, es würde so einfach sein?« erwiderte der Söldner. »Wir sind mit einem Trupp von knapp fünfzig Soldaten in die Tunnel eines befestigten Zwergenkomplexes eingedrungen. Fünfzig gegen Tausende.«
»Aber Ihr werdet Euren Bruder wieder einfangen«, fügte Jarlaxle schließlich hinzu, weil er Vierna nicht übermäßig aufregen wollte. »Meine Truppe ist gut ausgebildet. Ich habe bereits fast drei Dutzend, das gesamte Aufgebot von Baenre, in den einzigen Tunnel entsandt, der direkt zu Mithril-Halle führt. Keiner von Drizzts Verbündeten wird auf diesem Weg hereinkommen, und seine Freunde werden nicht entkommen.«
»Wenn die Zwerge erfahren, daß wir hier sind, werden sie eine Armee schicken«, meinte Vierna grimmig.
»Falls sie es erfahren«, berichtigte Jarlaxle die Priesterin. »Die Tunnel von Mithril-Halle sind lang. Unsere Gegner werden einige Zeit benötigen, eine bedeutende Streitmacht aufzustellen - vielleicht Tage. Wir werden mit Drizzt bereits auf halbem Weg nach Menzoberranzan sein, bevor die Zwerge sich organisiert haben.«
Vierna hielt eine lange Weile inne und überdachte ihre nächsten Schritte. Es gab nur zwei Wege aus der tieferen Ebene hier herauf: die Rutsche in dem Raum nebenan und langgezogene Tunnel weiter im Norden. Sie sah zu der Kammer und trat hinein, um die Rutsche zu untersuchen, wobei sie sich fragte, ob es falsch gewesen war, nur drei Leute hinter Drizzt herzuschicken. Sie überlegte, ob sie ihre gesamte Truppe - ein Dutzend Drow und den Drider - zu seiner Verfolgung hinabsenden sollte.
»Der Mensch wird ihn erwischen«, sagte Jarlaxle, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Artemis Entreri kennt unseren Feind besser als wir; er hat mit Drizzt in den weiten Gebieten der Oberflächenwelt gekämpft. Außerdem trägt er noch immer den Ohrring, so daß Ihr seine Fortschritte verfolgen könnt. Hier oben müssen wir uns um Drizzts Freunde kümmern. Nach den Berichten meiner Kundschafter sind es nur eine Handvoll.«
»Und wenn Drizzt Entreri entwischt?« fragte Vierna.
»Es gibt nur zwei Wege hier herauf«, erinnerte Jarlaxle sie noch einmal.
Vierna fällte ihren Entschluß, nickte und ging zu der Rutsche hinüber. Sie zog einen kleinen Zauberstab aus einer Falte ihrer reichverzierten Robe, schloß die Augen und begann mit einem leisen Zauberspruch. Langsam und sorgfältig zog die Priesterin exakte Linien über die Öffnung der Rutsche, und die Spitze ihres
Weitere Kostenlose Bücher