Die vergessenen Welten 08 - Nacht ohne Sterne
würden zu dritt zusammen mit Guenhwyvar aus der Stadt entkommen. Andere Probleme würden später gelöst werden müssen.
Doch all diese Überlegungen würden sowieso müßig sein, wenn die heilende Magie des Trankes dem Meuchelmörder nicht helfen würde, denn Drizzt und Catti-brie konnten ihn auf keinen Fall aus dem Verlies hinaustragen.
Aber Entreri stand bereits wieder, bevor er noch seinen ersten Zug aus der Tonflasche beendet hatte. Die Wirkung des Bolzens ließ bereits nach, und der belebende Trank beschleunigte die Erholung noch zusätzlich.
Drizzt und Catti-brie teilten sich eine der restlichen Flaschen, und nachdem Drizzt seine Rüstung übergestreift hatte, steckte er zwei der sechs verbliebenen Flaschen in seinen Gürtel und reichte seinen Begleitern jeweils zwei weitere.
»Wir müssen aus dem großen Stalagmiten hinaus«, sagte Entreri und machte sich bereit. »Das Hohe Ritual ist zweifellos noch im Gang, aber falls die getöteten Monster oben entdeckt worden sind, erwartet uns wahrscheinlich ein Trupp Soldaten.«
»Sofern Vendes in ihrer Arroganz nicht allein hierhergekommen ist«, erwiderte Drizzt. Sein Tonfall und der anschließende Blick des Meuchelmörders enthüllten, daß beide diese Möglichkeit nicht für besonders wahrscheinlich hielten.
»Mit dem Kopf voran«, warf Catti-brie ein. Ihre beiden Begleiter blickten sie verständnislos an.
»Das ist die Art der Zwerge«, erklärte die junge Frau. »Wenn du mit dem Rücken an der Wand stehst, dann senkst du den Kopf und läßt ihn voranstürmen.«
Drizzt blickte zu Guenhwyvar, zu Catti-brie und ihrem Bogen, zu Entreri und seinen tödlichen Klingen und zu seinen eigenen Krummsäbeln - wie zuvorkommend von dem überheblichen Dantrag, daß er in Erwartung eines Kampfes mit dem gefangenen Waldläufer dessen Besitztümer griffbereit zurechtgelegt hatte! »Sie mögen uns umzingelt haben«, meinte Drizzt, »aber ich bezweifle, daß ihnen bewußt ist, was sie da umzingelt haben!«
* * *
Oberin Baenre, Oberin Mez'Barris Armgo und K'yorl Odran standen in einem engen Dreieck auf dem zentralen Altar der gewaltigen Kapelle des Hauses Baenre. Fünf andere Oberin Mütter, die Führerinnen der Häuser, die den fünften bis achten Rang in der Stadt einnahmen, bildeten einen Ring um das Trio. Diese Elitegruppe, das Herrschende Konzil von Menzoberranzan, traf sich häufig in dem kleinen, geheimen Raum, der als Kammer des Konzils genutzt wurde, aber seit Jahrhunderten waren sie nicht mehr zum Gebet zusammengekommen.
Oberin Baenre fühlte sich wahrlich auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Sie hatte die acht herrschenden Häuser zu einer Allianz vereint, die ganz Menzoberranzan zwingen würde, ihrem Haus nach Mithril-Halle zu folgen. Selbst die bösartige K'yorl, die dem Feldzug und der Allianz so ablehnend gegenübergestanden hatte, schien jetzt wahrhaftig von der einsetzenden Erregung ergriffen worden zu sein. Zu Beginn der Zeremonie hatte K'yorl von sich aus angeboten, persönlich an dem Angriff teilzunehmen, und Mez'Barris Armgo - die nicht zulassen wollte, daß die Herrscherin eines Haus, das im Rang geringer war als ihres, sich vor Oberin Baenre hervortat - hatte sofort dasselbe Angebot gemacht.
Lloth war mit ihr, das glaubte Oberin Baenre aus ihrem ganzen, bösen Herzen. Auch die anderen glaubten, daß Lloth mit der verwitterten Oberin Mutter war, und so hatte sich die Allianz fest zusammengeschlossen.
Oberin Baenre verbarg ihr Lächeln während der nächsten Teile der Zeremonie. Sie versuchte fest, mit Vendes Geduld zu haben. Schließlich hatte sie ihre Tochter gesandt, Drizzt zu holen, und Vendes hatte genug Erfahrung mit den Ritualen der Drow, um zu wissen, daß der Abtrünnige die Zeremonie vielleicht nicht überleben würde. Wenn Vendes den Gefangenen daher jetzt noch ein wenig peinigte, so konnte Oberin Baenre ihr das nicht verübeln. Baenre hatte nicht vor, Drizzt während der Zeremonie zu opfern. Es gab noch viele Spiele, die sie mit ihm spielen wollte, und sie wollte Dantrag gern die Gelegenheit geben, alle Waffenmeister von Menzoberranzan auszustechen. Aber Baenre wußte, daß diese religiösen Rasereien oft ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten hatten, und wenn es die Situation erfordern sollte, Drizzt Lloth zu übergeben, dann würde sie mit Eifer den Opferdolch schwingen.
Der Gedanke war nicht unerfreulich.
Am Eingang des runden Gebäudes, neben den großen Türen, mußten Dantrag und Berg'inyon ähnlich schwierige Entscheidungen treffen. Eine
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