Die vergessenen Welten 08 - Nacht ohne Sterne
können das von sich behaupten.«
»Ich war ihm im Kampf ebenbürtig«, sagte Entreri durch die zusammengepreßten Zähne. Allein, dies auszusprechen, versetzte ihm einen Stich. Er hatte mehrfach gegen Drizzt gekämpft, aber nur zweimal waren ihre Gefechte nicht vorzeitig unterbrochen worden. Bei beiden Gelegenheiten hatte Entreri verloren. Der Meuchelmörder wollte dieses Konto unbedingt ausgleichen und beweisen, daß er der bessere Kämpfer war. Und dennoch mußte er, zumindest vor sich selbst, zugeben, daß er sich in seinem Innersten keinen weiteren Kampf mit Drizzt ersehnte. Nachdem er in den schlammigen Abwasserkanälen und Straßen von Calimhafen das erste Mal gegen den Dunkelelfen verloren hatte, war kein Tag vergangen, an dem Entreri nicht Rachepläne geschmiedet hätte. Sein ganzes Leben hatte um diese eine Sache gekreist, um die Revanche an Drizzt. Aber nach seiner zweiten Niederlage, die damit geendet hatte, daß er zerschmettert und fast tot über einer winddurchfegten Schlucht an einem Felsvorsprung gehangen hatte...
Was war nur? fragte sich Entreri. Warum verspürte er nicht mehr das Verlangen, mit dem abtrünnigen Drow zu kämpfen? War diese Angelegenheit entschieden und die Entscheidung gefallen? Oder hatte er einfach zuviel Angst? Solche Gefühle waren beunruhigend für einen Mann wie Artemis Entreri und so sehr fehl am Platz in ihm, wie er es in der Stadt der Drow war.
»Ich war ihm im Kampf ebenbürtig«, flüsterte er noch einmal mit soviel Überzeugung, wie er aufbringen konnte.
»Das würde ich nicht öffentlich verkünden, wenn ich an Eurer Stelle wäre«, erwiderte der Söldner. »Dantrag Baenre und Uthegental Armgo würden gegeneinander kämpfen, nur um auszutragen, wer Euch als erster töten darf.«
Entreri blinzelte nicht mal, doch sein Schwert flammte auf, als reflektiere es den Stolz und die Wut, die in ihm loderten.
Jarlaxle lachte erneut. »Um zu bestimmen, wer als erster
gegen Euch kämpfen darf«, berichtigte sich der Söldner und machte eine tiefe Verbeugung der Entschuldigung.
Noch immer zuckte der Meuchelmörder, der sich am falschen Ort fühlte, mit keiner Wimper. Er fragte sich, ob er wohl einen Teil seines Stolzes zurückgewinnen könnte, wenn er diese legendären Kämpfer der Drow tötete. Oder würde er wieder verlieren und, was schlimmer war, als getötet zu werden, mit dieser Gewißheit weiterleben müssen?
Entreri ließ das Schwert sinken und stieß es wieder in seine Scheide. Niemals war er so unentschlossen und unsicher gewesen. Selbst als kleiner Junge, als er sich auf den brutalen Straßen der bevölkerten Städte Calimshans hatte durchschlagen müssen, war Entreri immer voller Selbstvertrauen gewesen und hatte dieses zu seinem Vorteil eingesetzt. Aber nicht hier, nicht an diesem Ort.
»Eure Soldaten verspotten mich«, herrschte er den Söldner plötzlich an und richtete seine Frustration damit auf Jarlaxle.
Doch der lachte nur und stülpte sich den Hut wieder über
seinen kahlen Schädel. »Tötet ein paar von ihnen«, schlug er vor, und Entreri wußte nicht, ob der kühle, berechnende Drow es ernst meinte oder nicht. »Dann wird Euch der Rest in Ruhe
lassen.«
Entreri spuckte aus. Ihn in Ruhe lassen? Der Rest würde warten, bis er eingeschlafen war und ihn dann in kleine Stücke schneiden und dann damit die Spinnen von Donigarten füttern. Dieser Gedanke störte die Konzentration des Meuchelmörders und ließ ihn zusammenzucken. Er hatte eine Frau getötet (was in Menzoberranzan viel schlimmer war, als einen Mann umzubringen), und mindestens ein Haus in der Stadt begann in der Erwartung eines Menschenschmauses vielleicht damit, seine Spinnen auszuhungern.
»Oh, Ihr seid so ungehobelt«, sagte der Söldner, als bedauere er den Mann. Entreri seufzte, blickte weg und hob die Hand, um sich den Speichel von den Lippen zu wischen. Was war nur aus ihm geworden? In Calimhafen, in den Gilden, selbst unter den Paschas und anderen, die sich selbst als seine Herren bezeichnet hatten, hatte er sich immer unter Kontrolle gehabt. Er war ein Mörder, der von den verräterischsten, hinterlistigsten Dieben der ganzen Reiche angeheuert worden war, und doch hatte niemand je versucht, Artemis Entreri zu betrügen. Wie er sich danach sehnte, den bleichen Himmel von Calimhafen wiederzusehen!
»Kein Angst, mein Abbil«, sagte Jarlaxle und verwendete das Drowwort für einen vertrauten Freund. »Ihr werdet den Sonnenaufgang wiedersehen.« Der Söldner lächelte breit über
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