Die Vergessenen Welten 10 - Die Küste Der Schwerter
sein können. Sie waren seit mehreren Wochen unterwegs, die meiste Zeit davon auf hoher See, und doch hatten sie noch kein einziges Mannschaftsmitglied verloren, und ihre Vorräte waren zwar zusammengeschmolzen, aber noch ausreichend. Dafür mußte man Guenhwyvar und Harkle danken, dachte Drizzt mit einem Lächeln, denn die Katze und der Zauberer hatten schon kurz nach ihrer Abreise aus Wyngate das Schiff von dem Großteil seiner lästigen Ratten befreit.
Aber dennoch, obwohl sein Verstand ihm sagte, daß die Reise gut verlief und sie auf Kurs waren, konnte sich Drizzt nicht des Ärgers erwehren, der ihn immer wieder befiel. Es hatte etwas mit dem Ozean zu tun, erkannte er, mit der Langeweile und der Einsamkeit. Der Drow liebte das Segeln wirklich, liebte es, über die Wellen zu gleiten, doch zu lange auf hoher See zu sein, zu lange auf die Leere zu starren, zerrte an seinen Nerven.
Catti-brie ging vor sich hin murmelnd davon. Drizzt blickte Deudermont an, und das Lächeln des erfahrenen Kapitäns nahm dem Drow einen Gutteil seiner Besorgnis.
»So etwas habe ich schon früher gesehen«, sagte Deudermont ruhig zu ihm. »Sie wird sich entspannen, sobald wir Caerwich sichten oder uns entscheiden, wieder nach Osten zurückzufahren.«
»Würdest du das tun?« fragte Drizzt. »Würdest du die Worte des Doppelgängers vergessen?«
Darüber dachte Deudermont lange und intensiv nach. »Ich bin hierher gekommen, weil ich glaube, daß es mein Schicksal ist«, antwortete er. »Worin auch immer die Gefahr besteht, die mich verfolgt, ich will mich ihr willentlich und mit offenen Augen stellen. Aber ich werde meine Mannschaft nicht größeren Risiken aussetzen, als notwendig ist. Falls unsere Nahrungsvorräte zu sehr schwinden, um gefahrlos weiterzumachen, werden wir umkehren.«
»Und was ist mit dem Doppelgänger?« fragte Drizzt.
»Meine Feinde haben mich bereits einmal gefunden«, erwiderte Deudermont beiläufig, und nun wirkte er für Drizzt und die Mannschaft wirklich wie ein Fels, wie etwas Festes, an dem man sich in diesem Meer der Einsamkeit festklammern konnte. »Sie werden mich auch wieder finden.«
»Und wir werden sie erwarten«, versicherte ihm Drizzt.
* * *
Wie sich herausstellte, dauerte zumindest das Warten auf Caerwich nicht allzu lange. Weniger als eine Stunde nach diesem Gespräch kam Harkle Harpell aus Deudermonts Privatgemächern gehüpft und klatschte aufgeregt in die Hände.
Deudermont war als erster bei ihm, dicht gefolgt von einem halben Dutzend neugieriger Matrosen. Drizzt, der sich an seinem Lieblingsort vorne auf dem Bugspriet aufhielt, kam an die Reling zurück, um zu sehen, was die Versammlung zu bedeuten hatte. Er erkannte sofort, um was es ging, und blickte nach oben zu Catti-brie, die angestrengt aus dem Krähennest herabspähte.
»Oh, was mein Reggie für ein feiner Vogel ist!« strahlte Harkle.
»Reggie?« fragten Deudermont und mehrere der Matrosen.
»Namensvetter von Regweld, einem hervorragenden Zauberer! Er hat einen Frosch mit einem Pferd gekreuzt – keine leichte Aufgabe! Pfützenspringer hat er es genannt. Oder war es Flußspringer? Oder vielleicht...«
»Harkle«, sagte Deudermont trocken, und sein Tonfall riß den Zauberer aus seiner abschweifenden Verwirrung.
»Oh, natürlich«, plapperte Harkle. »Ja, ja, wo war ich? Ach ja, ich habe euch von Regweld erzählt. Was für ein feiner Mann. Feiner Mann. Er hat tapfer im Tal der Hüter gefochten, so heißt es. Da gab es einmal...«
»Harkle!« Jetzt lag kein sanfter Tadel mehr in Deudermonts Stimme, sondern nur offener Zorn.
»Was?« fragte der Zauberer unschuldig.
»Die verdammte Möwe«, knurrte Deudermont. »Was hast du herausgefunden?«
»O ja!« erwiderte Harkle und klatschte abermals in die Hände. »Der Vogel, der Vogel. Reggie. Ja, ja, ein feiner Vogel. Der schnellste Flieger aus dem ganzen Haufen.«
»Harkle!« brüllten zwanzig Stimmen im Chor.
»Wir haben eine Insel gefunden«, erklang eine Antwort hinter dem aufgeregten Harpell. Robillard trat auf das Deck und sah etwas gelangweilt aus. »Der Vogel ist heute zurückgekommen und hat von einer Insel geplappert. Sie liegt backbord voraus und ist nicht allzu weit entfernt.«
»Wie groß ist sie?« fragte Deudermont.
Robillard zuckte die Schultern und lachte leise. »Alle Inseln sind groß, wenn man sie mit den Augen einer Möwe sieht«, antwortete er. »Es könnte ein kleiner Felsen sein oder auch ein ganzer Kontinent.«
»Oder auch ein Wal«, redete Harkle
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