Die Vergessenen Welten 10 - Die Küste Der Schwerter
Zumindest nicht offen, denn Drizzt hatte das nervöse Geflüster vieler Matrosen belauscht, die von Geistern und ähnlichem sprachen.
»Fünfhundert liegen hinter uns und fünfhundert vor uns«, sagte Deudermont mit dem Fernrohr vor Augen, den Blick abwechselnd nach Süden und nach Westen gerichtet. »Nicht allzu weit südlich von hier liegt eine Insel, auf der wir unsere Vorräte aufstocken können.«
»Brauchen wir denn zusätzliche?« fragte Drizzt.
»Nicht, wenn wir gute Fahrt nach Caerwich machen und auch auf der Rückreise schnell vorankommen«, erwiderte Deudermont.
»Und was glaubst du?« fragte Catti-brie.
»Ich habe genug von den ganzen Verzögerungen, und ich habe genug von dieser Reise«, erwiderte Deudermont.
»Das kommt daher, daß du das fürchtest, was an ihrem Ende wartet«, behauptete Catti-brie grob. »Wer weiß, was wir in Caerwich finden werden, wenn es überhaupt ein Caerwich gibt.«
»Die Insel liegt dort draußen«, beharrte der Kapitän.
»Wir können an dieser anderen Insel auch noch auf der Rückfahrt anlegen«, schlug Drizzt vor. »Wir haben doch gewiß genug Vorräte, um nach Caerwich zu gelangen.«
Deudermont nickte. Also würden sie direkt nach Caerwich fahren, dem Ziel ihrer Reise. Der Kapitän kannte seine Sterne – sie würden seine einzige Hilfe sein, um von den Möwenfelsen nach Caerwich zu gelangen. Er hoffte, die Karte, die Tarnheel zur Verfügung gestellt hatte, war genau.
Er hoffte, daß Caerwich wirklich existierte.
Und doch hoffte auch ein Teil von ihm, daß das nicht der Fall war.
Caerwich
»Wie klein ist diese Insel Caerwich?« fragte Catti-brie Deudermont. Eine weitere Woche der Reise war ohne neue Vorfälle vergangen. Eine weitere Woche der Leere und der Einsamkeit, obwohl der Schoner voll bemannt war und es nur wenige Orte gab, an denen man nicht von anderen gesehen wurde. Das war eine Besonderheit des Lebens auf hoher See, man war niemals körperlich alleine, und doch schien die ganze Welt weit fort zu sein. Catti-brie und Drizzt hatten viele Stunden miteinander verbracht, in denen sie nur dastanden und beobachteten, jeder in seine Gedanken verloren und auf dem himmelblauen Teppich schaukelnd, zusammen und doch so alleine.
»Ein paar Quadratmeilen«, antwortete der Kapitän abwesend, beinahe automatisch.
»Und du glaubst, daß du sie finden kannst?« Eine unverkennbare Schärfe lag in der Stimme der Frau, was ihr einen bösen Blick von Drizzt und Deudermont einbrachte.
»Wir haben die Möwenfelsen gefunden«, erinnerte Drizzt Catti-brie, obwohl auch in seiner Stimme eine Spur dieser Verärgerung zu bemerken war. »Die waren auch nicht viel größer.«
»Pah, die kennt ja jeder«, erwiderte Catti-brie. »Da braucht man nur geraden Kurs nach Westen zu setzen.«
»Wir wissen, wo wir sind und wo wir hin müssen«, beharrte Deudermont. »Wir haben schließlich die Karte und segeln nicht ins Blaue hinein.«
Catti-brie schaute über die Schulter und warf Dunkin einen finsteren Blick zu, der jetzt eifrig damit beschäftigt war, das Achterdeck zu schrubben. Der düstere Ausdruck auf dem Gesicht der Frau genügte, um Deudermont zu verraten, für wie verläßlich sie diese Karte hielt.
»Und die Zauberer haben neue Augen, mit denen sie weit sehen können«, sagte Deudermont. Das stimmte, erkannte Catti-brie, obwohl sie sich fragte, wie verläßlich diese fraglichen »Augen« sein mochten. Harkle und Robillard hatten ein paar Vögel von den Möwenfelsen mitgenommen und behaupteten, sie könnten mit ihnen durch Magie Verbindung aufnehmen. Die Möwen würden ihnen helfen, erklärten die Zauberer, und jeden Tag ließen sie sie fliegen und befahlen den Tieren, ihnen zu berichten, was sie gefunden hatten. Catti-brie hatte nicht viel von dem Vorhaben gehalten, und wirklich waren von den zehn Vögeln, die sie mitgenommen hatten, nur zwei wieder zu der Seekobold zurückgekehrt. Catti-brie nahm an, daß die anderen Tiere zu den Möwenfelsen zurückgeflogen waren und wahrscheinlich die ganze Zeit über die albernen Zauberer gelacht hatten.
»Die Karte ist alles, was wir haben, seit wir Mintarn verlassen haben«, sagte Drizzt leise und versuchte, die Ängste der jungen Frau zu vertreiben und den Ärger, der sich auf ihren schönen, sonnengebräunten Zügen abzeichnete. Er fühlte mit Catti-brie, denn er teilte ihre düsteren Gedanken. Sie alle hatten die Risiken gekannt, und bislang war die Reise nicht schlecht verlaufen – jedenfalls nicht so schlecht, wie es hätte
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