Die Vergessenen Welten 16 - Die Drachen der Blutsteinlande
verstohlen die Flöte, die er hinten in den Gürtel gesteckt hatte. Er war noch nicht sicher, ob dieses Instrument ebenfalls ein Gefängnis oder einen Schlüssel darstellte.
Entreri und Jarlaxle warfen lange Schatten vor sich, denn die Sonne stand kurz davor, hinter den Bergen auf der anderen Seite des kleinen Sees unterzugehen. Der kalte Nachtwind hatte bereits begonnen zu wehen.
»Ihr geht und redet, als glaubtet Ihr, dass Euch die Welt offen steht«, erklang eine Stimme hinter ihnen.
Jarlaxle drehte sich um, aber Entreri schloss nur die Augen.
»Und ich soll mich ducken und glucken und murren?«, fuhr Athrogate fort. »Ich würde mich lieber betrinken« – er hielt inne, hob ein Bein und ließ einen gewaltigen Furz – »und ein Mädchen zu mir winken. Bruhaha! Wartet, Ihr haarloser Kohlenmann, dass meine kurzen Beine Euch einholen können. Ich werde Euch nicht umarmen, aber ich bin dankbar, dass Ihr mich aus dieser Zelle rausgeholt habt!«
»Das hast du nicht«, murmelte Entreri.
»Ein guter Verbündeter«, erwiderte Jarlaxle. »Von starkem Arm und unermüdlicher Lebendigkeit.«
»Und unermüdlich nervtötend.«
»Er hat wegen des Ärgers mit der Zitadelle schlechte Zeiten hinter sich. Ich war es ihm einfach schuldig.«
»Und ich hatte angenommen, dass du ihn für den Preis meiner Freiheit überhaupt erst in den Kerker befördert hattest«, sagte Entreri, als Athrogate nahe genug war, um es zu hören.
» Bruhaha! « , röhrte der Zwerg.
Entreri kam zu dem Schluss, dass es wohl unmöglich war, dieses elende Geschöpf zu beleidigen.
»Das kränkt mich jetzt aber wirklich, Artemis«, sagte Jarlaxle und legte in theatralischer Betroffenheit den Unterarm an die Stirn. »Ich würde einen Verbündeten niemals im Stich lassen.«
Entreri grinste zweifelnd.
»Im Gegenteil, als ich hörte, dass Knellict und die Zitadelle Calihye aus ihrem Zimmer am Vaasa-Tor entführt hatten ...«, begann der Drow, hielt dann aber inne und ließ das Gewicht seiner Worte einen Moment lang in der Luft hängen. Entreri hatte erschrocken die Augen aufgerissen.
»In Knellicts Versteck zu gelangen, war selbstverständlich keine Kleinigkeit«, fuhr Jarlaxle fort.
»Wo ist sie?«, fragte der Meuchelmörder.
»Sicher und warm im Gasthaus weiter unten an der Straße«, erklärte Jarlaxle. »Ich würde nie einen Verbündeten im Stich lassen.«
»Knellict hat sie entführt?«
»Genau«, fiel Athrogate in das Gespräch ein. »Und Euer kohlschwarzer Freund hat Knellict den Kopf abgeschnitten und ihn vor Gareths Thron abgelegt, das hat er. Bruhaha! Ich hätte gerne gesehen, wie Lady Christine bei diesem Anblick die Nase rümpfte!«
Entreri starrte Jarlaxle an, der sich tief verbeugte. »Die Dame erwartet dich«, sagte er. »Uns dreien droht die Todesstrafe, wenn wir die Blutsteinlande nicht innerhalb eines Zehntages verlassen, aber einen Tag können wir wohl erübrigen. Vielleicht kannst du Lady Calihye ja dazu bringen, dass sie sich uns anschließt.«
Entreri starrte ihn immer noch an. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Als er Jarlaxle im Keller der Burg durch Kimmuriels magisches Tor gezwungen hatte, war er davon ausgegangen, dass er den Drow nie wiedersehen würde, und alles, was auf seine Entlassung gefolgt war, der Zwerg, die Neuigkeiten über Calihye, brach nun über ihn herein wie eine gewaltige Meereswoge. Und als sich die Welle wieder zurückzog, zog sie ihn unausweichlich mit sich.
»Geh zu ihr«, sagte Jarlaxle leise und ernst. »Sie wird erfreut sein, dich zu sehen.«
»Ihr könnt Euch dann im Bettchen raufen, und ich werd mich derweil besaufen!«, dröhnte Athrogate und brach erneut in lautes Lachen aus.
Aus Entreris Augen zuckten Dolche auf Jarlaxle zu. Der Drow zeigte nur auf das Gasthaus.
Jarlaxle und Athrogate sahen zu, wie Entreri die Treppe hinaufging. Die Letzte Zuflucht, das größte Gasthaus in Dorf Blutstein, war stolz auf seine sauberen Zimmer, den guten elfischen Wein und die Balkone mit direktem Blick auf den Weißen Baum.
Sowohl der Drow als auch der Zwerg waren selbstverständlich im Dorf bekannt, denn Athrogates Morgensterne hatten auf die Leute am Vaasa-Tor nördlich von hier einen gewaltigen Eindruck gemacht, und Jarlaxle war immerhin ein Drow!
Die Blicke, die ihnen begegneten, waren jedoch sehr misstrauisch, was den beiden nicht entging.
»Sie haben offenbar noch nichts davon gehört, dass Gareth unsere Strafen erlassen hat«, stellte Jarlaxle fest und ließ sich auf einem Stuhl an der
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