Die Vergessenen Welten 16 - Die Drachen der Blutsteinlande
weise Entscheidung von König Gareth, ihn aus dem Land zu schicken«, sagte Tazmikella. »Er steht also weiterhin mit den Geschöpfen des Unterreichs in Verbindung?« Sie schnaubte verächtlich. »Dumm von ihm, aber es ist für uns alle besser, wenn die Schädelsteine tatsächlich aus dem Land verschwunden sind. Vielleicht kann ja aus Bösem wirklich etwas Gutes entstehen.«
»Er wird mir fehlen«, war alles, was die offensichtlich abgelenkte Ilnezhara erwiderte, und sie starrte dem Drow sehnsüchtig hinterher.
Sie schwankte ein wenig in dem rauchigen Kerzenlicht, und ihr wirres Haar fiel von einer Schulter zur anderen. Schweiß glänzte auf ihrem nackten Körper. Sie bog den Rücken durch, blickte zur Decke des Gasthauszimmers auf, holte Luft und stöhnte leise.
Artemis Entreri, der unter ihr lag, zog dieses schöne Bild in Gedanken an sich und fand darin Zuflucht vor Verzweiflung und Zorn. Er war wütend, weil er von Jarlaxle benutzt worden war, und noch mehr, weil der Drow ihn gerettet hatte – er wollte wirklich nicht in seiner Schuld stehen. Wieder einmal lockte die Straße, aber es war eine Straße, auf der er offenbar mit Jarlaxle und dem ärgerlichen Athrogate unterwegs sein würde.
Und mit Calihye, erinnerte er sich, als er nach oben griff und sanft mit der Hand von der Unterseite ihres Kinns bis zu ihrem Bauch fuhr. Sie würde sein Anker sein, hoffte er, sein solides Fundament, und mit solch festem Boden unter den Füßen konnte er vielleicht einen Weg finden, Jarlaxle loszuwerden.
Aber wollte er das wirklich?
Es war alles zu verwirrend für ihn. Er warf einen Blick zur Seite, wo er seine Kleidung und die Ausrüstung abgelegt hatte, und sah Idalias Flöte auf diesem Haufen. Die Flöte hatte ihn verändert, das wusste er, hatte sein Herz geöffnet und ihn gezwungen, mehr vom Leben zu erwarten als schlichte Existenz.
Er hasste sie und war ihr gleichzeitig auch dankbar.
Derzeit schien für Artemis Entreri alles so zu sein. Alles war ein Durcheinander von Liebe und Hass, von stoischer Ruhe und verzweifelter Sehnsucht, von Freundschaft und dem Bedürfnis nach Einsamkeit. Nichts schien klar, nichts schien zusammenzupassen.
Er blickte zu seiner Geliebten auf, dann änderte er, was diese letzten Punkte anging, seine Meinung. Das hier war wirklich, und liebevoll. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er sich einer Frau ganz ergeben.
Calihye beugte den Kopf vor und sah ihn an, ihr Blick voller Intensität und Entschlossenheit. Sie biss sich auf die Unterlippe und atmete schneller. Dann warf sie den Kopf zurück, bog den Rücken durch, und Entreri spürte, wie sie sich anspannte wie eine Bogensehne.
Er schloss die Augen, ließ den Moment über sich hinwegspülen und sich mitreißen, und er spürte, wie Calihye sich entspannte. Er öffnete die Augen und erwartete, dass sie sich auf ihn sinken ließ.
Stattdessen sah er, wie sie auf ihn niederstarrte, einen Dolch in der Hand.
Einen Dolch, der auf sein Herz gerichtet war.
Und er hatte keinerlei Verteidigung, keine Möglichkeit, das tödliche Zustoßen zu verhindern. Er hätte die Hand zur Brust reißen können, in einem Versuch, den Stich abzufangen, aber er tat es nicht.
Denn in dem Sekundenbruchteil, als der Dolch sich nach unten bewegte, wurde Entreri klar, dass all seine Hoffnung verschwunden war, dass alles, das gesamte Fundament seiner geistigen Gesundheit, nichts war als eine weitere Lüge. Er versuchte nicht, den Dolch aufzuhalten. Er versuchte nicht auszuweichen.
Der Dolch konnte ihm nicht mehr wehtun, als der Verrat es bereits getan hatte.
Teil Drei
Der Weg nach Hause
Der Sinn des Nachdenkens ü ber sich selbst besteht vor a l lem darin, sich ü ber bestimmte Dinge klarer zu werden und Ehrlichkeit zu finden. Selbsterforschung ist der Weg, um mit Selbstbetrug aufzur ä umen und sich der Wahrheit zu stellen – wie schmerzlich es auch sein mag zuzugeben, dass man sich geirrt hat. Wir suchen bei uns selbst Folgerichti g keit, und wenn wir stattdessen Widerspr ü che finden, vers u chen wir, sie abzustreiten.
Aber solches Leugnen hat in der Selbsterforschung keinen Platz, und daher ist es von gr öß ter Wichtigkeit, seine Fehler zuzugeben, sie zu akzeptieren und sich in eine positivere Richtung weiterzubewegen.
Wir k ö nnen uns selbst aus allen m ö glichen Gr ü nden betr ü gen. Nat ü rlich vor allem aus Selbstsucht, aber manchmal, das wei ß ich jetzt, auch weil wir Angst haben.
Denn manchmal haben wir Angst zu hoffen, weil
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