Die Vergessenen Welten 16 - Die Drachen der Blutsteinlande

irgendwelche materiellen Gewinne oder um einen Zuwachs an Macht für den Psioniker. Kimmuriel glaubte, dass Jarlaxles Ruf ein weiteres Desaster wie das in Calimhafen nicht verkraften konnte, und er wollte auf gar keinen Fall, dass Bregan D’aerthe sich von Jarlaxle abwandte. Denn eines Tages würde Jarlaxle nach Menzoberranzan zurückkehren und wieder die Führung der Truppe übernehmen. Bregan D’aerthe brauchte das, um angemessenen Abstand zu Oberinmutter Triel zu halten und dafür zu sorgen, dass sie bei Stimmung blieb, aber vor allem brauchte Kimmuriel es selbst. Die Verantwortung, sich um Jarlaxles Truppe zu kümmern, passte nicht gut zu seinen Interessen, die rein intellektueller Natur waren. Er sehnte sich nach dem Tag, an dem Jarlaxle zurückkehrte und er sich wieder intensiver den Illithiden und den Geheimnissen ihrer gewaltigen mentalen Kräfte widmen konnte.
    Und seine Aufmerksamkeit von den Angelegenheiten der Söldnertruppe und dem Schutz des zunehmend abtrünnigen Jarlaxle abwenden konnte.
    »Ich weiß, Ihr habt Eure Zweifel«, sagte Jarlaxle, wieder einmal, als hätte er Kimmuriels Gedanken gelesen, was, wie der Psioniker genau wusste, unmöglich war. Für ein solches geistiges Eindringen war er viel zu gut geschützt. »Und ich bin froh darüber, denn wer sonst würde mich zwingen, mich bei jeder neuen Wendung erneut zu hinterfragen?«
    »Eure eigene Vernunft?«
    Jarlaxle lachte laut. »Meine Vision ist zutreffend«, erklärte er selbstsicher.
    »Menzoberranzan verlangt unsere permanente Aufmerksamkeit.«
    Jarlaxle nickte. »Aber es wird der Tag kommen, da die Kontakte, die wir – die Ihr auf der Oberfläche sichert, für die Oberinmütter unbezahlbar sein werden.«
    »Was wisst Ihr?«
    »Ich weiß, dass die Welt in Bewegung ist«, sagte Jarlaxle. »Entreri und ich wurden von einem Nesseri-Schatten angegriffen, und er hat sehr deutlich gemacht, dass er nicht allein war. Wenn die Schatten auf die Oberfläche fallen, werden die Oberinmütter das wissen wollen. Außerdem ist die Gefolgschaft von Eilistraee hier an der Oberfläche im Wachsen begriffen. Drizzt Do’Urden ist unter den Oberflächen-Drow kaum einzigartig, und er erwirbt sich immer mehr Respekt bei den Oberflächenbewohnern.«
    »Euer ehemaliges Haus ...«
    »Ich habe ihrem Haus nie angehört«, verbesserte Jarlaxle.
    »Haus Baenre«, sagte Kimmuriel, »wird nichts gegen Drizzt unternehmen, und es würde ihnen auch niemand folgen, wenn sie sich dazu entschieden. Es gibt sogar Priesterinnen, die behaupten, dass Drizzt insgeheim in der Gunst von Lolth steht.«
    »Nach dem schiefgegangenen Opfer haben sie das Gleiche über mich behauptet.«
    »Die Beweise dafür waren überzeugend.«
    »Und ich habe dennoch nie die Knie vor dem Spinnenmiststück gebeugt. Ebenso wenig wie Drizzt Do’Urden. Ich bin sicher, wenn er erführe, dass er in Lady Lolths Gunst steht, würde ihn das mehr quälen, als eine schwärende Wunde es jemals könnte.«
    »Noch mehr Grund für die Göttin, ihm ihre Gunst zu schenken.«
    Jarlaxle zuckte angesichts dieser unausweichlichen Logik nur die Achseln. So war es nun einmal, wenn man eine Gottheit anbetete, die das Chaos liebte.
    »Aber ich rede ohnehin nicht von Drizzt«, sagte Jarlaxle. »Ich halte es für unwahrscheinlich, dass die Spinnenkönigin die Anbeter von Eilistraee noch viel länger dulden wird, und wenn für diese tanzenden Dummköpfe die Abrechnung kommt, könnte es durchaus sein, dass Lolth ihr Urteil durch die Häuser von Menzoberranzan vollstrecken lässt. Bregan D’aerthe wird sich dabei zweifellos als unersetzlich erweisen.«
    »Selbst wenn bis dahin noch Hunderte von Jahren ins Land ziehen.«
    »Geduld hat mich bis jetzt aufrecht gehalten«, sagte Jarlaxle. »Und in der Zwischenzeit werden wir profitablen Unternehmungen nachgehen. Die Menschen bezeichnen so etwas als eine Situation, in der man nur gewinnen kann.«
    »Menschen glauben oft, sie hätten gewonnen, bis sie durch ein Glasfenster geschleudert werden.«
    Jarlaxle gab mit einem weiteren Lachen auf und, wie Kimmuriel wusste, mit dem sicheren Wissen, dass Bregan D’aerthe tatsächlich die Kontakte, die in diesem rauen Land von Damara und Vaasa geknüpft worden waren, ausnutzen würde.
    Der Psioniker schaute auf das offene Feld hinaus und nickte, was Jarlaxle veranlasste sich umzudrehen.
    »Eure Drachen kommen«, sagte Kimmuriel.
    Jarlaxle wandte sich ihm wieder zu und streckte die Hand aus. »Dann lebt wohl.«
    Kimmuriel schüttelte die Hand