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Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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widerwärtigen Herrschaft der Theokratie«, antwortete die Drohne. »Ich glaube, ein weiterer Vorschlag wird derzeit erwogen – die Einrichtung in eine Ferienanlage umzuwandeln.«
    Einen Augenblick lang fand Sanders das unangebracht und hätte am liebsten protestiert, aber dann überlegte sie es sich noch einmal. Was für eine perfekte Absage an die abscheuliche Vergangenheit der Insel! Wie viel besser war es doch voranzugehen, statt in der Vergangenheit zu schwelgen.
    Als sie wieder ihren Gravotransporter erreichte, verstaute sie die beiden Schwebekoffer und stieg dann auf den Fahrersitz.
    »Also gehst du nach Dragon Down?«
    »Wann trifft er dort ein?«
    »Ich hätte gern, wenn du innerhalb der nächsten beiden Tage dort eintriffst und bereit bist«, antwortete die Drohne. »Machst du das?«
    »Ich denke, du kennst die Antwort darauf.«
    Sanders schaltete die Gravomotoren des Transporters ein,packte den Joystick und lenkte das Fahrzeug vom Boden hoch. Ihr gefiel Amistads Vorgehensweise nach wie vor nicht, aber zwanzig Jahre lang hatte sie vollkommen einseitige Gespräche mit Tombs geführt. Jetzt schien es, dass er wieder ein funktionsfähiges menschliches Wesen war. Weder Amistads Anforderungen noch die Macht der Drohne, Sanders zum Gehorsam zu zwingen, trugen zu ihrer Entscheidung bei, den Ort neben der Absturzstelle der Drachenkugel aufzusuchen, wo diese das Entstehen einer neuen Art aus der eigenen Substanz ins Werk gesetzt hatte. Sanders wollte einfach mit Tombs reden und erleben, wie er seinerseits auf sie reagierte.
    Als das Schiff wieder startete, verfolgte Grant, wie Tombs tief die Luft von Masada einatmete, die er eigentlich nicht hätte vertragen dürfen, und wie er sich dann wieder seinen beiden Begleitern zuwandte. Etwas hatte sich an dem Proktor verändert. Er wirkte selbstsicherer und doch traurig. Selbst seine Art zu reden schien verändert, und nicht ein einziges Mal während der restlichen Besichtigung von Glaube und anschließend der Zylinderwelt Barmherzigkeit hatte er vom eigenen Glauben gesprochen oder war zu geistloser Rezitation von etwas aus der Feder Zelda Smythes übergegangen.
    In Barmherzigkeit hatten sie Das Schiff durchschritten, dessen Wände aus riesigen Wabenkonstruktionen bestanden. Jede davon enthielt Zehntausende Zellen mit jeweils der Leiche eines Theokraten, das Hirn ausgebrannt, wo sie auf jenen Zeitpunkt warteten, an dem die Polis-KIs ihre Untersuchungen abschlossen und diese Leichen als sicher genug einschätzten, um die Memoaufzeichnungen toter Polisbürger aufzunehmen. Weder verlor Tombs dort ein einziges Wort über anständige Bestattung, noch betete er, obwohl seine Reaktion auf die Nachricht, dass Millionen Hirnaufzeichnungen in der Polis-Seelenbank gespeichert waren, nicht unerwartet ausfiel.
    »Legen alle Polisbürger … Sicherheitskopien ihres Selbst an?«, hatte er gefragt.
    »Nicht alle«, lautete Grants Antwort.
    »Woher weiß man, dass es jemand getan hat?«
    »Man weiß es nicht, es sei denn, er sagt es einem – das ist eine persönliche Sache.«
    Tombs wandte sich an Shree. »Du atmest die Luft hier wie ich. Hast du diese Hirnaufzeichnungstechnik benutzt?«
    »Nein, noch nicht.«
    Er wandte sich erneut an Grant. »Und du auch nicht?«
    »Nein«, antwortete Grant. »Diese Sache ist neu für uns – wir wurden nicht in der Polis geboren.«
    »Und Sanders?«
    »In der Polis geboren?«, fragte Grant. »Nein, in Zealos, obwohl sie sich von Masada schmuggeln ließ und in der Polis zur Meditechnikerin ausgebildet wurde.«
    »Sie wurde nicht gespeichert?«
    »Nicht, soweit ich weiß«, log Grant.
    Tombs schüttelte den Kopf und wirkte niedergeschlagen. Grant hätte eine stärkere Reaktion erwartet, hätte erwartet, dass Tombs von Seelen sprach oder sonst ein religiöses Geschwätz anstimmte. War er inzwischen ausreichend emotional beteiligt? Grant wusste es nicht. Penny Royal schwieg, obwohl inzwischen wieder wach und nahe, wo er wie eine unsichtbare Wand aus Messern aufragte. Nichts kam über Grants Komlink herein.
    »Also, was jetzt und wohin jetzt?«, fragte Tombs.
    Grant wollte nicht zugeben, dass er es nicht wusste. Tombs war wieder zu Verstand gekommen, vielleicht zu mehr Verstand als zuvor, aber keinerlei Erkenntnisse stellten sich ein, und nach wie vor hatten sie keine Ahnung, was der Techniker mit ihm angestellt hatte.
    »Was denkst du?«, fragte er – war es doch leicht, auf eine Frage mit einer Gegenfrage zu reagieren.
    Tombs fasste sich ans Gesicht,

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