Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
an dem alten Holz zu schaffen gemacht, sodass es geschrumpft war und die Dichtungen abgeblättert waren. Sanders drückte jetzt den zentralen Griff herunter, schob die Tür auf und betrat den Hof.
    Hier hatte man früher alle möglichen Exotika angetroffen, die der Bischof der Häretikerinsel züchtete. Das Bild dieses Mannes, wie er sich still um seine Pflanzen kümmerte, ehe er aufbrach, um die blutigen Spiele zu beaufsichtigen, die hier aufgeführt worden waren, war für Sanders eine unbehagliche Erinnerung. Sie stellte fest, dass inzwischen zwar einheimische Gewächse in den Töpfen und auf den Beeten wuchsen, aber auch einige Pflanzen dieses Mannes überlebt hatten. Das erschien ihr bedeutsam –manche Dinge konnten nie vollständig ausgelöscht werden. Sie überquerte Gehwegplatten, und die Koffer erzeugten ein leises Jaulen, als sie ihr folgten. Es ging durch die nächste Traubenholztür mit diesmal neuen und intakten Dichtungen. Sanders spürte den Lufthauch des Druckunterschieds, als sie eintrat, und bemerkte, wie die eigene Atemfrequenz abrupt sank, während sich ihre adaptierten Lungen auf den zusätzlichen Sauerstoffgehalt hier einstellten.
    An den Hof grenzte ein lang gestrecktes Zimmer mit allem, was sich ein enthusiastischer Botaniker nur wünschen konnte; darauf folgten die Küchen. Einem vertrauten Weg folgend, kam Sanders an alten Arrestzellen vorbei, an kahlen und leeren Folterkammern, in denen man nur noch hier und dort Befestigungen sah, die einst Gerüsten, Ketten und Galgen Halt geboten hatten. Endlich erreichte sie den modernisierten Bereich des Sanatoriums – neu dekoriert, ohne Spuren der früheren Verwendung – und letztlich ihre Unterkunft.
    Während sie sich in dem Raum umsah, in dem sie zwanzig Jahre lang übernachtet hatte, stiegen Nostalgie und Bedauern in ihr auf. Sie blickte zu einem Sessel an der Rückwand, über dessen Rückenlehne noch immer ihr Nova-Überwurf lag und seine Abfolge glühender Bilder von einem sterbenden Stern zeigte. Sie ging hinauf und nahm ihn zur Hand, zog dann die Fernbedienung aus dem Gürtel und drückte auf »Packen«.
    Die beiden Schwebekoffer leisteten dem Befehl Folge, indem sie sich auf den Weißgrasteppich senkten und die Deckel aufklappten. Sanders warf als Erstes den Überwurf hinein, dann die übrige Kleidung, eine kleine Sammlung von Dingen, die sie ans Ufer gespült gefunden hatte – darunter der stark ausgewaschene Oberschnabel einer Schnatterente – und schließlich weitere Objekte, die sie als ihren persönlichen Besitz betrachtete. Als sie fertig war, hatte sie erst einen Koffer vollgepackt. Vor der Ankunft der Polis hätte sie auch Bücher, Memokristalle und andere singuläre Datenträger eingepackt, aber inzwischen verfügte sie über all die entsprechenden Inhalte in ihrem persönlichen Speicher im Cyberspace und konnte sie von dort abrufen, wo immer sie sich niederließ. Sie betrachtete den Laptop auf ihrem Schreibtisch. Auch dieser gehörte ihr im Grunde nicht – ein Stück leicht ersetzbarer Wegwerftech. Sie ging hinüber. Rief die Website für ihren geplanten außerplanetaren Ausflug auf und prüfte die Buchung, denn da hier noch nicht alles so reibungslos funktionierte wie im Rest der Polis, lagen vielleicht Probleme vor.
    Storniert.
    Sanders starrte eine ganze Weile lang auf diesen Eintrag und gab schließlich eine Frage ein. Der Monitor wurde leer, dann tauchten dort zwei Worte auf: Entsorgung bestätigen?
    Was zum Teufel?
    Sie streckte die Hand aus, um die Buchung zu löschen, aber jetzt leuchtete »bestätigt« auf. Der Monitor leerte sich erneut; dann breiteten sich regenbogenbunte Störungen aus, und der Monitor wurde rissig. Die Tasten schrumpften ein, und das Gehäuse verformte sich.
    Instinktiv bewegte sie die Hand zum Schalter ihres Kommlinks am Jackenaufschlag, aber dann zögerte sie. Vielleicht lag nur ein Defekt vor, oder die Computerhardware war darauf programmiert worden, sich zu löschen, aber Sanders bezweifelte es. Sie drückte den rechten Zeigefinger auf den Kommlink, der den Fingerabdruck auslas und sich einschaltete.
    »Was zum Teufel geht hier vor sich?«, fragte sie laut.
    »Tut mir leid«, antwortete eine vertraute Stimme aus dem Link, »aber ich wollte deine Aufmerksamkeit gewinnen.«
    »Na, jetzt hast du sie, Amistad. Warum hast du meine Buchung storniert?«
    »Jeremiah Tombs glaubt immer noch, er hätte dich ermordet«, antwortete die Drohne. »Es wird nötig sein, vermutlich schon bald, ihn über die

Weitere Kostenlose Bücher