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Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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im Fenster auf dem Bildschirm betrachtete. Hier unten im Schlamm erblickte er einige Überreste, die selbst in zwanzig Jahren Abbau durch die Trikonusse nicht ausgelöscht worden waren. Dort ein wurmartiges Geschlängel von einem halben Kilometer Länge; ringsherum verstreut gebogene Eierschalenstücke, von Eiern jedoch, die groß genug für ein Wesen von den Ausmaßen eines Menschen waren. Es gefiel Chanter überhaupt nicht, hier zu sein: tatsächlich hatte er es seit jenem ersten Mal vermieden, hierherzukommen, denn das Misstrauen und die Zweifel, die Drache in ihm weckte, erstreckten sich auch auf die Nachkommen dieses Wesens.
    »Das ist es, nicht wahr?«, fragte Tombs und blickte von seiner Position am Boden zum Bildschirm hinauf.
    Entweder verstand sich der Mann darauf, seismische Karten zu lesen, oder er erkannte die Bilder auf dem Monitor, was keinen Sinn ergab. Er war vor der Rebellion ein Proktor der Theokratie gewesen und seither total verrückt. Er hätte keinerlei Kenntnisse von irgendetwas haben dürfen, was er hier sah.
    »Ja, das ist es«, antwortete Chanter und lenkte das Erd-Uboot widerstrebend aufwärts, nahm Kurs auf Koordinaten, die ihnen Rodol genannt hatte.
    »Etwas von ihm ist übrig geblieben«, sagte Grant, der auf dem Klappbett saß. »Das muss widerstandsfähiges Material sein. Ich dachte, Polisforscher hätten das alles ausgegraben.«
    »Sie haben das meiste ausgegraben«, sagte Shree, die nebenihm saß, »aber das Projekt dann aufgegeben, als die Drachenmenschen ihre Stadt aufbauten.«
    »Vielleicht haben die Drachenmenschen Einwände erhoben – hatten das Gefühl, hier würde ein Grab geschändet«, überlegte Grant.
    Shree schnaubte nur darüber.
    Chanter war nachdrücklich ersucht worden, die drei hierher nach Dragon Down zu bringen. Er hatte Verständnis für die taktische Überlegung dahinter, denn wer immer die Kapuzler auf Bradacken gehetzt hatte, war nicht dingfest gemacht worden und hielt sich vielleicht immer noch in der Umgebung auf. Aber es steckte mehr dahinter. Um die Aufgabe zu versüßen, hatte Amistad ihn im Zuge eines sehr knappen Wortwechsels darauf hingewiesen, dass die Drachenmenschen Informationen über den Techniker besaßen – etwas, woran Chanter interessiert sein könnte. Er hatte das Gefühl, dass die KIs ihn hier haben wollten, aber warum, das war nicht wirklich klar – aber war es das je?
    Innerhalb weniger Minuten erreichte das Erd-Uboot die Oberfläche, und Chanter stellte fest, dass kein Widerstand vorhanden war, was auf eine dünne oder gar nicht vorhandene Wurzelstockmatte hindeutete. Das reibungsfreie Sichtfenster wurde klar und zeigte Dragon Down links von ihnen sowie einen Geländewagen weit rechts, der sich entfernte.
    Als Nächstes wurde ein Bildschirmfenster flackernd aktiv und zeigte ein drachenhaftes Gesicht. Chanter streckte die Hand aus, um die Signale zu prüfen, Kontrast und Farbe – ein Finger auf der Tastatur startete eine Diagnose. Alles stimmte. Diese Drachenmännerfrau – ein seltsamer Widerspruch – war tatsächlich so blau, wie sie aussah.
    »Chanter«, sagte die Kreatur vor ihm.
    »Du kennst mich?«, lautete Chanters Reaktion.
    »Ich kenne dich schon lange«, sagte sie. »Gestatte mir, mich vorzustellen: Ich heiße aus offenkundigen Gründen Blau – tatsächlich waren wir Zwillinge. Mein Bruder hat sich dem Techniker geopfert, noch ehe die Theokratie stürzte.«
    Die Gesellschaft seiner drei Fahrgäste über die zurückliegenden sechs Stunden hatte schon gereicht, um Chanters Nerven zu strapazieren, und jetzt glaubte er zu spüren, wie ihm etwas den Rücken hinaufkroch. Am liebsten wäre er so schnell wie irgend möglich von hier verschwunden, aber andererseits – Informationen über den Techniker … Diese Blau machte den Anschein, sie könnte deren Quelle sein.
    Warum fertigte der Techniker keine Plastiken mehr an? Sein letztes neues Werk hatte Chanter einige Jahre vor Ausbruch der Rebellion entdeckt, und nach allem, was er kürzlich erfahren hatte, waren sie angeblich das Produkt einer funktionsgestörten Kriegsmaschine. Man hatte die Frage aufgeworfen, ob der Techniker seine Störung aus eigener Kraft abgeschüttelt hatte, aber welch ein Zufall: eine Million Jahre des Wahnsinns gefolgt von einer Definition geistiger Gesundheit, aufgestellt von einer Athetermaschine, jetzt, wo sich auch Menschen und andere hier aufhielten. Und hatte Drache nicht vieles gewusst? Zum Beispiel, wo Chanter die älteste Plastik des Technikers

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