Die Vergessenen
Energiespeicher und diese interne Abschirmung. Inzwischen war es immer schwieriger geworden, an Daten zu kommen, selbst bei Einsatz modernster Scannerroutinen, und der Körper des Technikers zeigte sich in weiten Teilen völlig undurchsichtig. Amistad hielt es für bemerkenswert, dass sich diese Transformation beschleunigt hatte, seit der Techniker diese Sache mit Tombs anstellte.
»Vielleicht der Prototyp«, überlegte Penny Royal und klappte seine beiden überflüssigen Augenstiele hoch, um Amistad mit Augen wie leuchtende Rubine anzusehen.
»Erläutere das.« Denn jetzt betraten sie Neuland.
»Die abschließende Kapuzlergestalt erhielt eine begrenzte Lebensspanne und die Fähigkeit, sich fortzupflanzen«, stelltePenny Royal fest. »Sie wurden auf eine ökologische Nische ausgelegt, obwohl diese Umwelt im Wesentlichen künstlich ist.«
»Damit hast du noch nicht erklärt, warum du denkst, er könnte der Prototyp sein.«
»Auf diesem technischen Niveau wurde nicht mehr als einer gebraucht«, erklärte Penny Royal. »Alle nötigen Daten für die Herstellung der aktuellen Kapuzlergestalt konnten aus ihm heruntergeladen werden.«
»Also ist es das, was wir in Jeremiah Tombs Kopf finden werden? Den Bauplan für die Kapuzler?«
»Nein.«
»Warum bist du dir da so sicher?«
»Warum haben die Atheter, nachdem sie die abschließende Gestalt des Kapuzlers entwickelt hatten, dann den Prototyp nicht zerstört?«
Amistad hatte sich das selbst schon gefragt. »Vielleicht, nur vielleicht waren nicht alle Atheter mit dem Selbstmord der ganzen Lebensform einverstanden.«
Penny Royal schärfte einige weitere Stacheln und sprach sich weder für noch gegen diesen Gedanken aus.
Zwar hatten sie ursprünglich mit medizinischer Technik der Theokratie ihr Leben gerettet und später mit Polistechnik Lungenschäden und die schlimmsten fortschreitenden Hautschäden geheilt, aber trotzdem hielten die Overlanders an ihren Narben fest. Genauer gesagt, behielten sie, wie Grant bei Betreten des abgeschirmten Marktes feststellte, die Narben, die nicht übermäßig entstellend waren, gewöhnlich an den Armen und den Handrücken und hier und dort mal auf einer Wange oder Stirn. Sie behaupteten, die Narben mit Stolz zu tragen und zum Gedenken an alles, was sie durchgemacht hatten, und an all jene, die nicht überlebt hatten. Grant wusste, dass die Narben ihnen halfen, an ihrer Bitterkeit und ihrem Hass festzuhalten, aber wiehätte er über sie urteilen können, wenn er sich doch an den eigenen Hass klammerte wie eine vertraute Geliebte?
An den Ständen wurden örtliche Erzeugnisse verkauft sowie Poliswaren, die entweder aus dem Norden stammten oder aus dem einen oder anderen Handelsraumschiff, das auf den Schaumsteinflößen landete, früher das Fundament für die Arbeiterhütten außerhalb der Stadt. Zwischen all dem fielen die Overlanders auf wie bunte Hunde. Neben den Narben trugen sie ihre geliebte schwarze Kleidung, die so stark an das Fotonegativ einer Proktorenuniform erinnerte, wenn auch die Schrift, die von der Achselhöhle bis zum Fußknöchel lief, aus der Art euklidischer Formen bestand, die man auf den Rückenschalen von Pfennigmuscheln fand. Nach dem Gemetzel waren diese Kreaturen hier in großer Zahl aufgetreten wie Mohnblumen auf einem antiken Schlachtfeld auf der Erde.
Sämtliche Overlanders hatten weitere Medizintechnik der Polis akzeptiert und sich adaptieren lassen, um die Luft im Freien zu atmen. Sie brauchten keine Atemmasken mehr, anders als Grant, und ebenso wenig die parasitären Skoles. Trotzdem trugen viele von ihnen Skoles – ausgeweidete Exemplare, konserviert und ausgekleidet und in Umhängetaschen verwandelt. Grant trat auf den ersten Overlander zu, den er entdeckte, eine Frau, die gerade den Inhalt eines aufrechten Glaszylinders studierte. Dieser Zylinder stand vor einer umschlossenen Operationsliege, die zum Haupttor des Marktes hereingekommen sein musste. Der Zylinder enthielt Verstärker unterschiedlicher Stile und Fabrikate, abgesehen von Dracocorp-Verstärkern, deren Verkauf inzwischen auf Masada verboten war. Die Frau drehte sich zu Grant um, als er näher kam, und nickte vorsichtig – sie erkannte ihn wieder.
»Ich muss Edward Thracer finden«, sagte er.
»Sie sind Commander Leif Grant.«
Er fühlte sich kurz geneigt zu sagen, dass er früher Commander Leif Grant gewesen war, solche Titel jedoch der Vergangenheit angehörten. Das entsprach jedoch im Grunde nicht seinen Gefühlen, und ein Griff
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