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Die Vergessenen

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Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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angetrieben von einem Trommelmotor an der Basis, ganz ähnlich dem in Chanters Erd-Uboot. Bald würde der Turm jedoch wieder einen festen Standort einnehmen, denn das Ziel lag inzwischen in Sichtweite.
    Sie hatten damals die Höhle inspiziert, kurz nach Chanters Meldung von der antiken Plastik, und jetzt spielte Amistad den Rest des kurzen Wortwechsels noch einmal in Gedanken ab und übermittelte das zugleich an Penny Royal, damit die KI wusste, woran er dachte:
    »Kunstvoll«, hatte er gesagt.
    »Er wurde hergestellt, obwohl seit zwei Millionen Jahren keine Hersteller mehr hier existieren.«
    »Zugegeben.«
    »Erstaunlich, dass man das nicht früher entdeckt hat«, hatte Penny Royal gesagt. »Sofern dir nicht Kenntnisse vorenthalten wurden, um mentale Einschränkungen zu verhindern.«
    Das war ein häufiges KI-Verfahren: Liefere jemandem, der einer Untersuchung nachgeht, sämtliche Informationen, und diese Person wird wahrscheinlich zur gleichen Schlussfolgerung gelangen wie du. Gehe sparsam mit Informationen um, und dieser Ermittler entdeckt vielleicht etwas, was dir entgangen ist.
    »Nichts, worüber wir uns den Kopf zerbrechen sollten.«
    Penny Royal hatte sich gekrümmt, denn zweifellos war etwas aus einem seiner Bewusstseinszustände an die Oberfläche getreten, das sich um die eigene Vergangenheit drehte – jene Zeit, in der er gegen die Forschungspolitik der KIs rebellierte, um dannauf seine eigene gewalttätige und sadistische Art Forschung zu betreiben.
    »Ein Verstand, nicht von der Evolution beherrscht«, hatte Penny Royal gesagt. »Und erst noch dem eigenen technischen Zweck zuzuordnen.«
    Amistad hatte zustimmend den Kopf gesenkt, und er senkte ihn jetzt wieder, als der Aussichtsturm hielt und seine Bodenanker ausfuhr. Amistad konzentrierte sich auf die Kreatur, die nur wenige Kilometer entfernt lag.
    Der Techniker hatte einen großen Äser zur Strecke gebracht, ein Tier, das an einen sechsbeinigen Wasserbüffel erinnerte, mit zinkenförmigem Unterkiefer, um Wurzelstöcke aufzugabeln, einem gestreckten Kopf, um die zahlreichen Reibescheiben unterzubringen, mit deren Hilfe er sie pürierte, und breiten flachen Füßen, damit er nicht in den Schlamm sank, den er beim Fressen freilegte. Das Tier war so groß, dass der große Kapuzler nicht alles verarbeiten konnte und sich stattdessen von einem Körperteil zum nächsten vorarbeitete. Die hintere Hälfte des Äsers war gehäutet; Muskeln und weißes Fettgewebe waren mit chirurgischer Präzision entfernt und gefressen worden, während komplette, unzerstörte Eingeweide, Adern und Schichten schwarzen Fettgewebes als eine lose, zerfledderte Schweinerei an grau-blauen Knochen flappten. Das Ding erzeugte Geräusche wie ein Schwarm Saatkrähen, die in einen Mähdrescher gesaugt wurden und sich mit aller Macht dagegen wehrten.
    »Ein Prototyp«, überlegte Amistad und wiederholte damit wörtlich die Feststellung, die er vor vier Jahren getroffen hatte, »zu einem Zeitpunkt vor der Selbstzerstörung der Atheter hergestellt.«
    Der Techniker war ein riesenhafter Albinotausendfüßler, der Kopf erst plattgedrückt und dann an der Unterseite ausgehöhlt; womöglich ähnelte er, wie manche fanden, einer gewaltigen menschlichen Wirbelsäule. Obwohl Leute, die solche Feststellungen machten, sich gewöhnlich in ebenso sicherer Entfernung aufhielten wie Amistad und Penny Royal. Mithilfe der eigenen Sensoren und jener der Plattform studierte Amistad die Kreatur, die Maschine, auf zahlreichen Ebenen und stellte dabei Vergleiche an. Fast sofort wurde erkennbar, dass sich der Techniker noch weiter verändert hatte.
    Nach der Rebellion sammelte man alle von der Theokratie erhobenen Daten zum Techniker und glich sie ab. Diese Ergebnisse sowie sämtliche Daten Chanters fügte man denen hinzu, die von Polisforschern erhoben worden waren, und speicherte sie im Tagreb. Vor der Rebellion hatten Scans vom Techniker alle möglichen Anomalien gezeigt, die jedoch allesamt innerhalb der erkennbaren Struktur eines Kapuzlers blieben. Die benutzten Scanverfahren waren nicht modern genug gewesen, um zu zeigen, was das für Anomalien waren. Nach der Rebellion ergaben Chanters periodische Scans der Kreatur einen gleichmäßigen Rückgang der Informationen, denn es schien deutlich zu werden, dass die Kreatur bedeutsame innere Veränderungen durchmachte, die sie irgendwie abschirmte. Spätere Scans durch Tagrebforscher offenbarten Stoffe von komplexen Nanostrukturen, hochverdichtete

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