Die Vergessenen

eingehen.«
    Chanter schnaubte, während er die Tür an der Rückwand der Garage durchquerte. Er spürte den Druckunterschied und empfand die mit Sauerstoff angereicherte Luft als nahezu steril. Er stand jetzt in einem Raum, in dem diverse Schutzanzüge hingen und der gesäumt war von Glastürvitrinen mit einzelnen Polis-Atemgeräten. Einer der Schutzanzüge, bislang unbewegt, rührte sich auf einmal, und Chanter bemerkte, dass der Anzug besetzt war. Das Individuum darin betrachtete ihn aus Reptilienaugen, und die Innenseite des Visiers klärte sich unterhalb von ihnen langsam von einem Reifschimmer. Eine Adaptierte wie er, die sich mithilfe des Schutzanzugs kühl hielt, da es auf diesem Planeten zu heiß für sie war. Sie ging in die Garage hinaus. Chanter wandte sich um und musterte die beiden Türen, die aus diesem Raum führten.
    »Wohin muss ich gehen?«, fragte er.
    »Jonas hat Aldetox eingenommen, und sobald er auch mit seinem dreifachen Espresso fertig geworden ist, empfängt er dich im Museum«, antwortete Rodol. »Nimm die Tür rechts von dir und folge der Richtungsangabe, die ich auf dein Palmtop überspielt habe.«
    Chanter durchquerte die Tür, das Palmtop mit dem deutlichen Richtungspfeil in der Hand, und stampfte saubere weiße Flure entlang, wobei es ihm eine kindliche Befriedigung verschaffte, nach wie vor schlammige Fußabdrücke zu hinterlassen. Als er das Museum erreichte, waren die Füße trocken und fühlte sich die Haut entschieden papieren an, aber der Anblick, der ihn hinter der Doppelgleittür erwartete, verbannte das Unbehagen aus seinen Gedanken.
    Der tote Kapuzler erstreckte sich entlang einer hundert Meter langen Wand – die Wirbelsäule eines Riesen. Natürlich hatte Chanter so etwas schon früher gesehen, aber es war die löffelähnliche Kapuze, so gedreht, dass die Unterseite nach außen wies, die seine besondere Aufmerksamkeit fand. Er hatte schon Kapuzlerüberreste und anatomische Schaubilder gesehen, auf flachen Bildschirmen und in holografischer Darstellung. Aber tatsächlich vor so etwas zu stehen und das Letzte anzustarren, das manche Menschen gesehen hatten, ehe die Dunkelheit sich um sie schloss und die Agonie einsetzte, das barg schon eine entsetzliche Faszination.
    Ein Kamm, der der Unterseite der Kapuze folgte, war beiderseits mit ganzen Reihen von Augen wie Glasperlen besetzt. An beiden Enden des Kamms saßen zusammengefaltet durch Gelenke unterteilte Gliedmaßen, die jeweils in gebogenen Spachteln endeten. An den Ansatzpunkten der Gliedmaßen ragten kleine Stacheln auf und zogen sich an den Innenseiten der Glieder entlang. Beiderseits des Kamms zogen sich auch Reihen glasiger Schläuche entlang, manche flach, manche nach innen gewandt und manche nach außen geklappt, wobei die Letztgenannten teleskopische Abschnitte aufwiesen, samt und sonders mit Zähnen bewehrt. Auf sie folgten, vom Kamm ausgehend betrachtet, Reihen glasiger Sensen, von denen manche die Innenbeschichtung abwarfen und so schärferes Material freilegten, ähnlich wie eine Katze ihre Klauen offenlegte. Wieder ein Stück weiter außerhalblagen verwickelte organische Strukturen, die sehr an die Innereien irgendeines Tieres erinnerten und am Ansatz weich aussahen, aber härter wurden, während sie sich dem Rand der Kapuze näherten. Hier und dort ragten schwarze Tentakel hervor, von denen manche in Zangen endeten und andere in Dingen, die merkwürdig nach Malerpinseln aussahen.
    Chanter trat näher heran und musterte ein auf einer Säule montiertes Scannerskop – ein Gerät, das das gesamte elektromagnetische Spektrum abtasten und dabei auf alle Größenordnungen vom Nanoskopischen aufwärts eingestellt werden konnte. Dann wich er unvermittelt wieder zurück, als die Augen des Kapuzlers in einem roten Licht aufleuchteten und sich dieses ganze Chirurgenbesteck in Bewegung setzte wie die Mechanik eines antiken Druckers, in dem ein Diagnoseprogramm lief.
    »Das rote Licht ist nicht die eigentliche Sache«, sagte jemand hinter Chanter.
    Dieser drehte sich um und sah dort Jonas Clyde stehen. Der Mann trug Hausschuhe, eine knielange Hose und ein ärmelloses Hemd, und er hielt einen Kaffeebecher mit der rechten Hand fest umklammert. Die blonden Haare waren kurz geschnitten, die Augen von einem elektrischen Grün und die Haut von einer Bräune gezeichnet, die nicht von Masada stammte. Obwohl er athletisch wirkte, strahlte er jetzt etwas erkennbar Schwankendes aus – denn das Aldetox musste seinen Körper erst noch