Die Vergessenen
Münzwurf.«
»Wer hat Ihnen die Anweisung erteilt?«
»Ein Spinnengefährte von Ihnen.«
»Amistad?«
Clyde nickte.
»Wieso?«
»Anscheinend muss ein gewisser Jeremiah Tombs mit uns reden, wenn er so weit ist.« Clyde stieß sich vom Scannerskop ab; die Wirkung des Aldetox hatte offenkundig voll eingesetzt. »Scheint, dass er bald so weit sein wird.«
Informationen waren, sobald erst der sicheren Aufbewahrung entronnen, etwas, das Pandora wiedererkannt hätte. Wenn ein vorgebliches Geheimnis die Öffentlichkeit erreichte, geschah dies gewöhnlich deshalb, weil die KIs die altehrwürdige Technik der zum richtigen Zeitpunkt undicht werdenden Stelle einsetzten. Für Shree schien es jedoch, dass die Nachricht von Jeremiah Tombs’ Flucht zu früh durchgesickert war. Welchem Zweck konnte es dienen, wenn die Overlander, das Aufräumkommando und Theokratiehasser allerorten erfuhren, dass der einstige Proktor ein brauchbares Ziel geworden war? Es sei denn, dass es hier ohnehin nur darum ging, eine Falle zu stellen.
Mehrere Mitglieder des Aufräumkommandos waren festgenommen worden, während sie Tombs umzubringen versuchten, aber Leute wie Miloh waren nun mal mit ihrem Hass allzu leicht zu erkennen und vermutlich ohnehin von der Polis schon scharf überwacht worden. Nein, die Falle zielte auf ehemalige Rebellen ab, die dem Anschein nach zum neuen Regime hielten, frühereUntaten großmütig verziehen und ihren Hass nicht offen zeigten, auf Leute wie Tinsch also – der anscheinend festgenommen worden war – und sie selbst.
Vielleicht hatten die KIs etwas ausgegraben, was sie auf die Bündnisse Shrees mit außerplanetaren Separatisten aufmerksam gemacht hatte, und kannten die Bedeutung von Tombs in dieser Hinsicht. Vielleicht war den KIs klar, dass Tombs genau der war, mit dessen Hilfe sie den Leiter des Aufräumkommandos enttarnen konnten. Es schien wahrscheinlich, dass er den Köder in der Falle bildete, aber leider war er ein Köder, den Shree nicht ignorieren konnte.
»Hier Uffstetten«, sagte das Gesicht, das in ihrem Blickfeld auftauchte, vom Verstärker direkt in die Sehnerven eingespielt.
Uffstetten war ein bleicher Mann mit schmalem Gesicht und Glatze, und er hatte Augen mit Doppelpupillen, zwei Verstärker und interne visuelle Interlinks. Seine Ohren waren durch gedrungene zylindrische Multitrommeln ausgetauscht worden, und zudem verarbeitete er direkte Gedankenübertragungen. Shree wusste, dass sein Datenbild teilweise verändert sein musste, denn er schien allein mit ihr zu reden, während er in Wirklichkeit zahlreiche Gespräche führte, zahlreiche Texte las und zahlreiche Bilder studierte. Er war ein Menki, und seine Aufrüstungen waren perfekt für seinen Job als Earthnet-Nachrichtenredakteur ausgelegt.
Shree gab für ihn den Blick auf ihr Gesicht frei, zweifellos als ein Icon unter vielen auf irgendeinem mentalen Monitor, und es tauchte ein kurzer Erklärungstext auf, sobald er dem Icon seine Aufmerksamkeit zuwandte. »Ah, Shree Enkara – unsere einheimische Korrespondentin auf Masada«, sagte er nach einer Verzögerung von dreißig Sekunden. »Was haben Sie für mich?«
»Jeremiah Tombs«, sagte sie.
Eine kurze Pause, dann: »Ich habe vier Korrespondenten so dicht dran, wie ich irgend möglich machen konnte – in diesem Fall liegt eine KI-Intervention vor. Welches ist Ihre Perspektive?«
»Tombs wird von Leif Grant beschützt, Commander Leif Grant, der während der Rebellion mein Vorgesetzter war, tatsächlich sogar mein Liebhaber. Ich denke, dass mir dieser Umstand ermöglicht, dicht genug für direkte Aufzeichnungen und Interaktion heranzukommen.«
»Menschliches Interesse?«
»Nicht nur menschliches Interesse«, sagte Shree. »Wir alle wissen, dass etwas an der Situation merkwürdig ist. Warum hat man Tombs erlaubt, zwanzig Jahre lang im Wahnsinn zu verharren? Das hat alles damit zu tun, wie er während der Rebellion seine Verletzungen erlitt – durch den Kapuzler, den man den Techniker nennt. Es hat auch Auswirkungen auf den Status des Planeten, da er sehr wahrscheinlich in Verbindung mit den Athetern steht.«
»Gehen Sie so an die Sache heran, und ich decke Sie von hier aus.« Uffstetten tat noch mehr, denn ein neues Icon tauchte in Shrees Blickfeld auf. Als sie die Verknüpfung testete, fand sie eine Bankverbindung über ihren Verstärker zu ihrem Bankkonto hier auf Masada. Nicht, dass sie das Geld gebraucht hätte, aber das trug alles zu ihrer Glaubhaftigkeit bei. »Falls man Sie
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