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Die verlorene Bibliothek: Thriller

Die verlorene Bibliothek: Thriller

Titel: Die verlorene Bibliothek: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. M. Dean
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v. Chr. den Königstitel angenommen hatte. Als Teil der Glorifikation seines neuen Reiches hatte Ptolemäus den Musen einen berühmten Tempel geweiht, ein Musaion , woraus die Latein sprechenden Römer und alle folgenden Generationen das Wort ›Museum‹ gemacht hatten. Das Musaion war keine Bibliothek im modernen Sinne gewesen, sondern ein Sakralbau, der den Göttinnen der Künste und Wissenschaften geweiht war und dementsprechende Schätze enthielt. So wurden dort unter anderem Texte zu allen möglichen Themen aufbewahrt und sorgfältig organisiert.
    Doch erst der Sohn des Königs, Ptolemäus der Zweite, hatte das Musaion in eine Sammlung verwandelt, und zwar nicht nur religiösen, sondern allen Wissens. Das Reich veränderte sich und wuchs, und so schien es Ptolemäus nur recht und billig zu sein, dass sein König durch Macht herrschen sollte, auch der Macht des Wissens. Deshalb gründete und förderte er das, was dereinst die erste große Bibliothek der Welt werden sollte, die heilige Heimstatt allen niedergeschriebenen Wissens.
    Das Projekt war eines der größten und teuersten in der gesamten Menschheitsgeschichte. Ptolemäus setzte sich zunächst das Ziel, fünfhunderttausend Schriftrollen für seine Regale zu besorgen, und dafür bediente er sich außergewöhnlicher Praktiken. Wo immer man sie finden konnte, wurden Texte aufgekauft, und jeder Besucher Alexandrias musste all seine Bücher und Schriftrollen bei der Ankunft abgeben, damit die Bibliotheksschreiber sie kopieren und der Sammlung hinzufügen konnten. Alexandrinische Bibliothekare wurden in andere, ältere Kulturzentren geschickt, um dort Kopien wichtiger Werke zu erwerben oder sie auszuleihen, damit man sie im Scriptorium der Bibliothek selbst kopieren konnte. Texte, die in Sprachen verfasst waren, welche den Griechisch sprechenden Gelehrten des Reiches unbekannt waren, wurden von Kollektiven übersetzt, die sich rasch in der stetig wachsenden Infrastruktur der Bibliothek herausgebildet hatten. Das berühmteste dieser Übersetzungsprojekte war die Übersetzung der hebräischen Bibel ins Griechische, wofür man nicht weniger als siebzig jüdische Schreiber anheuerte; siebzig – septuaginta auf Latein, ein Name, unter dem diese Übersetzung noch heute bekannt ist.
    »Erdnüsse, Brezeln oder Kekse?« Die zirpende Stimme, die Emily aus ihren Gedanken riss, bildete einen drastischen Gegensatz zu dem, worüber sie gerade nachgedacht hatte.
    »Wie bitte?«
    »Was hätten Sie gerne?«, fragte die Stewardess. »Erdnüsse, Brezeln oder Kekse?« Ihr Lächeln sah aus, als hätte man es ihr vor dem Start aufgeklebt.
    »Äh, Kekse wären nett«, antwortete Emily. »Und einen Whiskey. Der ist Pflicht, die Erdnüsse eher optional.«
    Die Stewardess reagierte auf Emilys komödiantischen Versuch mit einem weiteren Plastiklächeln. »Ziehen Sie irgendeinen Whiskey vor? Wir haben Bushmills, Famous Grou …«
    »Geben Sie mir einfach die größte Flasche«, unterbrach Emily sie und winkte den Rest der Liste ab. Die Stewardess hob die Augenbrauen und warf Emily einen Blick zu, der das Damenhafte ihrer Bemerkung in Frage stellte; doch Emily konterte mit einem Gesichtsausdruck, der ebenso deutlich machte, dass ihr die Meinung der Stewardess egal war. Die Stewardess gab Emily eine Flasche Famous Grouse und dazu einen Plastikbecher Eis. Dann zog sie zur nächsten Reihe weiter. »Erdnüsse, Brezeln oder Kekse?«, zwitscherte sie wie in Dauerschleife.
    Emily drehte den Plastikdeckel der kleinen Flasche auf und goss den Inhalt über das Eis. Ein kräftiger Schluck der feurigen Flüssigkeit beruhigte ihre bis zum Zerreißen gespannten Nerven, und sie schloss die Augen, legte den Kopf zurück und gab sich wieder ihren Gedanken hin.
    Die alexandrinischen Bibliothekare waren in der gesamten antiken Welt für ihre Gelehrsamkeit und ihr Wissen bekannt gewesen. Sie hatten die größte Schriftensammlung der Welt zur Verfügung gehabt, mit Texten zu allen Themenbereichen, und so zogen die Bibliothekare andere Gelehrte an, und die Bibliothek wurde zu einem berühmten Zentrum der Wissenschaften und der Lehre. Zu den Chefbibliothekaren, den Bewahrern dieser riesigen Sammlung, gehörten dann auch Männer, deren Namen jedem Historiker bekannt sind, der sich mit dieser Zeit beschäftigt: Apollonius von Rhodos, Eratosthenes, Aristophanes von Byzanz und noch jede Menge mehr.
    Niemand wusste, wie groß die Bibliothek schlussendlich geworden war. Sicherlich hatte man das ursprüngliche Ziel von

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