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Die verlorene Bibliothek: Thriller

Die verlorene Bibliothek: Thriller

Titel: Die verlorene Bibliothek: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. M. Dean
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hatte, wie viel Freude einem das Thema bringen konnte. Zurückblickend war sie nicht sicher, ob sie all das geliebt hatte, weil sie es selbst so toll gefunden hatte, oder ob sie sich von ihren Lehrern hatte anstecken lassen; aber wie auch immer … Daraus war ihre Liebe zum Unterrichten erwachsen, und daran hatte sich bis heute nichts geändert.
    »Arnos Interessen reichten ebenfalls bis in seine Kindheit zurück«, bemerkte Aileen. »Und genau wie Sie hat er sie voller Eifer verfolgt. Natürlich hat die Welt damals noch anders ausgesehen. Aber Sie sind beide Ihren Interessen gefolgt, wenn auch auf unterschiedliche Art. Und Sie haben beide die Kämpfe gemocht.«
    »Die Kämpfe?«
    Aileen grinste.
    »Die Schlachten, die Konflikte, die großen Momente. Geschichte in Aktion.«
    Das war in der Tat eine gute Charakterisierung von Emilys Interessen. Als sie auf die Universität gegangen war, hatte sie engen Kontakt zu den alten Griechen, Römern, Ägyptern, Arabern, Assyrern und Hethitern bekommen. Und als diese fremden Völker zu ihren Freunden geworden waren, hatte sie ihre wahre Liebe entdeckt: die Zusammenstöße der alten Kulturen, ihre Konflikte und ihre Kriege. Griechen gegen Römer; Araber, die Ägypten erobern; Assyrer, die die Israeliten unterdrücken. Die Kämpfe, vor allem der Trotz der scheinbar Unterlegenen, hatten etwas an sich, das einfach perfekt zu Emilys Charakter passte. Es war ein ähnlicher Kampfgeist, der sie als Teenager zu einer hervorragenden Sportlerin gemacht und dafür gesorgt hatte, dass sie als Erwachsene die von Männern dominierte akademische Karriereleiter emporgestiegen war.
    »Und tun Sie jetzt nicht so, als würde Ihre Karriere nicht den gleichen Lauf nehmen«, fuhr Aileen fort, »trotz Ihrer Jugend. Ein Rhodes Scholar in Oxford, ein Ph.D. in Princeton.«
    »An das alles erinnern Sie sich?«, fragte Emily. »Und das nur anhand meines Bewerbungsgesprächs vor zwei Jahren?«
    »Manche Menschen machen schlicht Eindruck«, erklärte Aileen und lächelte. Dann kehrten ihre Gedanken wieder zu Holmstrand zurück. »Arno war das einzige Mitglied unserer Fakultät, dessen Vorlesungen von genauso vielen Kollegen wie Studenten besucht wurden.«
    Emily nickte wissend. In Arnos erstem Jahr an der Fakultät hatte auch sie mit geradezu religiösem Eifer an jeder seiner Vorlesungen teilgenommen. Arno war einer jener Menschen gewesen, die nicht anders gekonnt hatten, als abzuschweifen, und so war jede seiner Vorlesungen rasch zu einer Reise in die Erinnerung geworden … in eine Erinnerung, wie nur wenige sie vorweisen konnten.
    Doch persönlich hatte Emily ihn nie wirklich gekannt, und sie war neidisch auf Aileen und ihre Vertrautheit mit dem Mann. Emily kannte hauptsächlich seinen Ruf und seine Macken, wie man sie bei einem alten Professor häufig fand, und die sie – das musste sie gestehen – insgeheim sogar bewunderte. So war Arno zum Beispiel für seine Aphorismen berühmt gewesen. Immer wieder hatte er kleine Weisheiten in seine Vorlesungen eingestreut, manchmal um ein bestimmtes Fakt zu betonen, aber auch um die Vorlieben eines alten Mannes auszudrücken. »Wissen dreht sich nicht im Kreis«, hatte er beispielsweise gesagt, »Ignoranz aber schon.« Oder: »Wissen gründet im Alten, doch deutet stets zum Neuen.« Letzteres hatte ihm auch als erster Satz bei seiner Antrittsvorlesung gedient, und seine Ansicht, dass Wissen sich nicht im Kreis drehe, war integraler Bestandteil jeder seiner Vorlesungen gewesen, die Emily besucht hatte.
    Auch hatte Arno die Angewohnheit gehabt, Schlüsselelemente in seinen Seminaren dreimal zu wiederholen. Tatsächlich war das sogar zu einem Markenzeichen von ihm geworden. »Es gab kein Goldendes Zeitalter in Rom. Kein Goldenes Zeitalter. Kein Goldenes Zeitalter. « Als man ihn während eines Seminars zu den Oxyrhynchus Papyri, das Emily ganz besonders genossen hatte, einmal darauf angesprochen hatte, hatte Holmstrand nachdrücklich geantwortet: »Wenn man etwas dreimal sagt, dann wissen die Leute, dass man es ernst meint. Sagt man es nur einmal, kann es genauso gut ein Versehen sein. Zweimal schlicht Zufall. Aber wenn ein Mann etwas dreimal sagt, dann ist er sich seiner Sache sicher.«
    Dreimal . Damals hatte Emily gelächelt, und als sie sich jetzt daran erinnerte, lächelte sie wieder.
    »Die Vergangenheit lebt«, lautete noch so ein Juwel der Weisheit, »wenn man sich an sie erinnert. Wissen hat Leben und Macht, solange es vor dem Vergessen bewahrt wird.«

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