Die verlorene Bibliothek: Thriller
schillernden Bibliotheca Alexandrina. Während Emily sich einen Weg den Flur hinunter und in einen Komplex von Gängen und Räumen suchte, überkam sie das Gefühl, dass hier die wahre Arbeit erledigt wurde.
Als sie den Hauptgang erreichte, lag der Eingang des ersten Raumes eines regelrechten Netzwerks von Räumen und Büros zu ihrer Rechten. Vorsichtig spähte sie in den kleinen Raum, um sicherzustellen, dass er leer war, bevor sie daran vorbeiging. Sie wollte nicht gesehen werden. Glücklicherweise war niemand dort und auch nicht im nächsten, und Emily konnte weiter unbehelligt nach unten gehen. Statt Designerregalen wie im Lesesaal gab es hier nur solche aus Metall, wie überall auf der Welt mit grüner Industriefarbe gestrichen, und sie bogen sich unter dem Gewicht der Bücher durch, die hier größtenteils gestapelt übereinanderlagen und nicht aufrecht angeordnet waren.
Gelegentliche Geräusche erinnerten Emily jedoch daran, dass das hier ein Arbeitsbereich war. Sie war nicht allein, auch wenn bis jetzt niemand in den angrenzenden Räumen gewesen war. Dann hörte Emily leise Stimmen aus dem nächsten Raum und schlich sich vorsichtig heran. Verstohlen schaute sie durch das kleine Fenster in der Tür und sah etwas, das eine ganz normale Bürobesprechung zu sein schien: Kollegen, die gemeinsam Papiere durchgingen und auf ihren Laptops schrieben.
Bevor irgendjemand sie bemerken konnte, duckte Emily sich wieder und huschte vorbei. Unter anderen Umständen hätte sie vermutlich nichts lieber gehabt als ein professionelles Meeting mit den Leuten, die sie dort gesehen hatte, doch jetzt durfte sie keine Begegnung riskieren. Das hier war ganz offensichtlich kein öffentlicher Bereich, und sie war ohne Einladung hier. Jeder Angestellte würde sie vermutlich schneller wieder hinausverfrachten, als sie hereingekommen war, und sie konnte es sich schlicht nicht leisten, aus diesen Hallen geworfen zu werden.
Denn in diesen Hallen liegt die Antwort verborgen , dachte sie. Licht. Wahrheit. Was auch immer es ist, das ich finden soll.
Emily ging den Gang bis zum Ende hinunter und ließ dabei ihren Blick über sämtliche Oberflächen, Türen, Regale und alles andere schweifen, wo sie einen Hinweis auf ihr Ziel vermutete.
Türen waren entweder durch Zahlen markiert oder gar nicht. Nur an einigen wenigen standen Namensschilder, die mit einem ›Doktor‹ oder ›Professor‹ begannen. Emily empfand es irgendwie als tröstlich, dass man auch in Ägypten Englisch als internationale Sprache der Wissenschaft anerkannte. Sie dachte an eine Schulstunde in ihrer Kindheit zurück, als ihre Französischlehrerin in Logan, Ohio, ihr und den anderen Kindern stolz erklärt hatte, Französisch sei die universelle Sprache, auch im wörtlichen Sinne die einzige echte ›lingua franca‹ auf der ganzen Welt. Damals hatte die Lehrerin sie davon überzeugt, und Emily hatte mit der Sprache noch Jahre weitergemacht; doch die Welt hatte sich offenbar verändert.
Der Gang machte eine scharfe Rechtsbiegung und mündete in einen anderen. Emily stieg immer tiefer in den nur schwach beleuchteten Untergrund der Bibliothek hinab. Auch an diesem Gang, der sich nach links in drei weitere kleinere aufspaltete, lagen Büros, sodass das Ganze an ein E erinnerte. Wann immer Emily ein Geräusch hörte, duckte sie sich in eine Ecke oder hinter ein Regal. Langsam schlich sie vorwärts, und nur selten musste sie sich an einer der überraschend wenigen Überwachungskameras hier unten vorbeiducken.
Unter dem Sand, Licht. Offensichtlich würde jedes Licht, das sie hier unten fand, nicht von der Sonne stammen, und die flackernden Leuchtstoffröhren schienen sich auch nicht für die Erleuchtung zu eignen, auf die sie hoffte. Es muss ein Symbol oder so was sein. Ein Bild und nichts Reales.
Was symbolisiert Licht?
Je weiter Emily ging, desto älter sahen die Wände aus. Anfangs waren sie aus Beton gewesen, doch jetzt … war das Stein? Falls nicht, dann waren die Ziegel eine gute Nachahmung davon. Und die Ränder jeden einzelnen Ziegels oder Steins sahen verwittert und alt aus.
Wurde die Bibliothek auf den Überresten eines anderen Gebäudes errichtet?
Emily erinnerte sich daran, dass die ägyptische Regierung die Bibliothek so nahe wie möglich an der Stelle hatte errichten wollen, wo einst die antike Bibliothek gestanden hatte. Außerdem war Ägypten ein Land, wo man nur den Spaten in die Erde stechen musste, und schon hatte man irgendwas gefunden. Es war also
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