Die verlorene Bibliothek: Thriller
Geräuschlos befestigte er das hochempfindliche Mikrofon am Türrahmen und steckte sich den Knopfohrhörer ins linke Ohr. Dann drückte er eine Reihe von Tasten auf dem Display und pegelte das Mikrofon ein. Es funktionierte perfekt, und er konnte durch die Tür hören, als wäre sie gar nicht da.
Ein paar weitere Tastendrucke später übertrug das Gerät die digitalisierte Konversation über eine Wi-Fi-Verbindung weiter. Der zweite Freund, der inzwischen den kleinen Laptop aufgeklappt hatte, fing das Signal auf und leitete es direkt ins Büro des Sekretärs weiter.
So wurde jedes Wort, das Emily Wess und Antoun sprachen, fast ohne Verzögerung und kristallklar in ein Büro in New York übertragen.
Und der Sekretär saß an seinem Schreibtisch und hörte ihnen aufmerksam zu.
KAPITEL EINUNDSECHZIG
11:45 U HR
»Kommen Sie herein.« Der Mann sprach langsam, sein Tonfall eine Mischung aus Befehl und Zögern. Der Plan, den der Bewahrer in Gang gesetzt hatte, war in ein kritisches Stadium eingetreten, und all die Arbeit, Emily Wess auf ihre Rolle vorzubereiten – und das ohne ihr Wissen –, war fast vollbracht.
Der Mann trat zur Seite, und Emily betrat ein fensterloses Büro mit Wänden aus Beton und Ziegeln. Der Mann schloss die Tür hinter ihr und schob einen kleinen Riegel vor.
»Bitte, setzen Sie sich doch.« Er deutete auf einen kleinen Stuhl in der Ecke – neben dem Schreibtischstuhl die einzige freie Fläche in dem Büro. In diesem Büro wurde definitiv gearbeitet.
Emily nahm Platz. Der Mann ging hinter seinen Schreibtisch, setzte sich ebenfalls und drehte sich zu ihr um. Er hatte die Hände auf die Knie gelegt und starrte seine Besucherin wortlos an.
Schließlich brach Emily das Schweigen.
»Mein Name ist …«
»Ich weiß, wer Sie sind, Dr. Wess.«
Emily riss erstaunt die Augen auf. Dieser Mann hatte sie von Anfang an gekannt.
»Ich verstehe nicht«, erklärte sie. »Wenn Sie wissen, wer ich bin, warum haben Sie mich dann nicht direkt reingelassen? Warum dieses bizarre Verhör?«
Der Mann zwinkerte noch nicht einmal.
»So arbeiten wir nicht«, antwortete er. »Unsere Arbeit basiert auf … Vertrauen. Ich musste mir absolut sicher sein, dass ich Ihnen auch vertrauen kann.« Erleichterung schwang in seinen Worten mit.
»Ich verstehe nicht«, wiederholte Emily. »Was hat Sie denn davon überzeugt, mir vertrauen zu können?«
»Sie kennen meinen Namen«, antwortete der Mann.
»Ihren Namen?«
»Fünfzehn, wenn zum Morgen.« Der Mann deutete auf sich selbst. »Höchstpersönlich.« Da war ein Zucken in seinen Mundwinkeln, fast ein Lächeln.
Emily blieb jedoch misstrauisch und saß einfach nur reglos da.
»Tut mir leid, Dr. Wess«, sagte der Mann, der ihre Zurückhaltung fühlte. Es war von außerordentlicher Wichtigkeit, dass Emily Wess verstand, was hier auf dem Spiel stand. Er würde ihr wohl helfen müssen.
»Natürlich ist das nicht wirklich mein Name«, erklärte er. »Mein richtiger Name ist Athanasius, obwohl meine Kollegen hier mich als Dr. Antoun kennen.«
Der Mann sprach mit großem Ernst, und seine Offenheit beruhigte Emily ein wenig.
»Und diese Phrase?«, fragte sie. »›Fünfzehn, wenn zum Morgen‹?«
»Das nennen wir unser Pseudonym. Stellen Sie sich das als eine Art Passwort vor, durch das wir uns identifizieren. Das erleichtert es uns, miteinander zu reden, ohne unsere wahren Identitäten preiszugeben.« Er wartete und suchte nach einem Zeichen des Verstehens in Emilys Gesicht. Emily war jedoch nach wie vor verwirrt und misstrauisch.
Als Athanasius erkannte, dass er Emilys Vertrauen nicht so leicht gewinnen würde, stand er auf, ging zu einem kleinen Aktenschrank und zog ein unscheinbares Blatt Papier heraus.
»Das hier habe ich letzte Woche bekommen«, sagte er und gab Emily das Blatt. Es war eine kurze handschriftliche Notiz. Dr. Emily Wess sollte schnellstmöglich eintreffen. Wenn sie weiß, was sie sagen soll, dann erklären Sie ihr, was sie wissen muss.
Emily schnürte es den Hals zu. Es war die Handschrift von Arno Holmstrand. Es war die gleiche wie die in den Briefen in ihrer Reisetasche. Selbst die rostbraune Tinte war identisch.
Athanasius Antoun setzte sich wieder.
»Und, Dr. Wess? Was ist es?«
Emily schaute ihn an.
»Was ist was?«
»Was ist es, das Sie wissen müssen?«
Die unerwartete Frage überraschte Emily.
»Was ich wissen muss? Alles. Ich bin in den letzten vierundzwanzig Stunden um die halbe Welt gereist, und das Einzige, was ich gewusst habe,
Weitere Kostenlose Bücher