Die verlorene Bibliothek: Thriller
Konstantinopel. In den Jahrzehnten und Jahrhunderten nach der Verlegung hat man immer wieder versucht, sie zu finden, aber sie blieb verborgen … wenn auch oft nur knapp. Die Gesellschaft sorgte sich mehr und mehr darum, dass vielleicht doch etwas durchsickern könnte. Auch wir sind nur Menschen und damit genauso empfänglich für Bestechungen, Manipulationen und Drohungen wie jeder andere auch. Wäre auch nur einer von uns dem erlegen, alles wäre umsonst gewesen.«
Emily ahnte, was als Nächstes kam.
»Also mussten Sie sie abermals verstecken, nur diesmal auch vor Ihren eigenen Leuten.«
Athanasius nickte. »Man beschloss, die Bibliothek abermals zu verlegen, doch diesmal kannten nur noch ein paar ausgesuchte Personen ihren Standort – zwei, um genau zu sein, und die lebten an zwei weit voneinander entfernten Orten des Imperiums. Starb einer von ihnen, kannte nur noch der andere den Standort der Bibliothek, und der würde dann einen neuen ›Zweiten‹ wählen. Auf diese Weise konnte das Wissen um den Standort nicht verloren gehen, und die Gefahr, dass etwas durchsickerte, war so gut wie gebannt.«
Zumindest , dachte Athanasius bei sich, funktioniert das normalerweise so. Wenn ein Bewahrer seinen Tod kommen sieht, ohne dass es einen Zweiten gibt, dann muss man improvisieren. Doch er biss sich auf die Lippe und verschwieg dieses kleine Detail. Emily Wess war noch nicht bereit für diesen Teil der Geschichte.
»Ende des 16. Jahrhunderts«, fuhr er fort, »war das Labyrinth unter dem alten byzantinischen Kaiserpalast, wo die Bibliothek seit Jahrhunderten gelegen hatte, dann leer.«
KAPITEL DREIUNDSECHZIG
W ASHINGTON D . C . – 5:15 U HR EST (12:15 U HR IN A LEXANDRIA )
Brad Whitley, der Direktor des Secret Service, stand im Büro des Vizepräsidenten. Die Tür war abgeschlossen und die Vorhänge zugezogen. Whitley hatte seine Männer angewiesen, alle Mikrofone in diesem Büro abzuschalten und dafür zu sorgen, dass sie nicht gestört wurden. Es war schlicht besser, wenn manche Gespräche weder belauscht noch unterbrochen wurden.
»Das ist schwer zu glauben, Direktor Whitley«, sagte Vizepräsident Hines. »Und das wird wirklich in zwei Tagen geschehen?«
»Ja, Mr Vice President«, bestätigte Whitley. »Der Verteidigungsminister und seine höchsten Offiziere sind übereingekommen, dass es sich hier um eine Frage der nationalen Sicherheit handelt, um die man sich sofort kümmern muss. Der Präsident muss aus dem Amt entfernt werden, und zwar trotz seiner Unschuldsbeteuerungen der Presse gegenüber. Er hat den Feind in unser Heimatland gebracht. Ohne seine illegalen Aktivitäten würden jetzt keine fremden Terroristen und Attentäter in der Hauptstadt herumlaufen und Politiker ermorden.«
»Sind Sie sich der Verbindung sicher?«
»Jawohl, Sir. Die Beweise sind eindeutig. Dem Militär ist es gelungen, durch Munitionsvergleiche eine direkte Verbindung zwischen den Attentaten und Terrorzellen in Afghanistan herzustellen. Betrachtet man dann dazu das Material, das zu Präsident Trathams Aktivitäten in Saudi-Arabien ans Licht gekommen ist, bleiben keine Zweifel mehr. Sie haben es sicherlich gesehen.«
»Natürlich habe ich das«, bestätigte Hines. Seit der ersten Meldung hatte sein Stab ihn ständig mit den neuesten Informationen versorgt. Dennoch schaute er den Direktor des Secret Service jetzt ein wenig verwirrt an. »Wie genau ist die Prozedur für so etwas?«, fragte er. »Gibt es irgendein Gesetz, das es dem Militär erlaubt, den Präsidenten zu verhaften?«
»Nicht direkt«, antwortete Whitley, »aber die Generäle sind der Überzeugung, dass sowohl das Militärrecht als auch das Heimatschutzgesetz genug hergeben, um die Verhaftung, Inhaftierung und Anklage jedweder Person zu gestatten, einschließlich eines amtierenden Präsidenten. Sobald er dann verhaftet ist, ist es mit seinen Privilegien als Exekutivorgan ohnehin vorbei.«
»Und dann?«
»Und dann wird die Nachfolge gemäß der Verfassung geregelt.«
Hines war sich der Bedeutung dieses scheinbar so harmlosen Satzes durchaus bewusst. Gemäß Verfassung ging die Exekutivgewalt temporär auf den Vizepräsidenten über, sollte der Präsident sie nicht länger ausüben können, und sollte diese Unfähigkeit der Amtsausübung länger anhalten, wurde auch die Präsidentschaft selbst übertragen.
»Mr Vice President«, fuhr Whitley fort, »Sie sollten wissen, dass Verteidigungsminister Davis und sein Team Sie eingehend durchleuchtet haben. Verrat
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