Die verlorene Bibliothek: Thriller
geführt wird, zu dem auch Staatsmänner aus über einem Dutzend Ländern gehören. Einige dieser Individuen sind uns bekannt, andere nicht. Sie haben gelernt, genauso geheim zu agieren wie wir.
Aber wir kennen vor allem die Identität einer Schlüsselfigur.« Instinktiv senkte Athanasius die Stimme. »Der Rat wird von einem Sekretär geführt, der über schier unglaubliche Macht verfügt und seine Operationen leitet. Zwar ist nominell das Komitee das Führungsorgan, doch der Sekretär steht im Rang über allen, und er verfügt über seine eigenen sogenannten ›Freunde‹, ein Bund von Gehilfen, die jeden seiner Befehle eiskalt umsetzen. Seit Jahrzehnten versuchen wir nun schon, seine Identität herauszufinden, und dann, vor sechs Monaten, hatten wir endlich Erfolg. Der Sekretär des Rates ist ein amerikanischer Unternehmer und Geschäftsmann in New York mit Namen Ewan Westerberg. Unter anderem leitet er eine Stiftung, die in Geschäfte und Politik überall auf der Welt investiert.« Athanasius öffnete eine Aktenmappe auf seinem Schreibtisch, holte ein Foto heraus und gab es Emily. Kurz zögerte er. »Er ist ein sehr gefährlicher Mann.«
Der Name sagte Emily gar nichts – und auch nicht das Gesicht auf dem Foto. In der Welt der Wirtschaft kannte sie sich gar nicht aus.
»Nachdem wir seine Identität aufgedeckt hatten«, fuhr Athanasius fort, »haben wir versucht, dieses Wissen zu unserem Vorteil auszunutzen. Wir wussten nun, wer sie führte, doch sie hatten noch immer keine Ahnung von unserem Bewahrer oder seinem Gehilfen … oder zumindest haben wir das geglaubt.« Er hielt kurz inne und dachte nach, während er sich den Bart zupfte. Schließlich drehte er sich wieder zu Emily um. »Wir haben uns geirrt. Irgendwie war es dem Rat gelungen, ihre Identität herauszufinden, so wie wir auch wussten, wer Westerberg war. Der Gehilfe des Bewahrers war Collin Marlake, ein hochrangiger Beamter im Patentamt von Washington D. C. Er war seit siebenunddreißig Jahren Mitglied der Gesellschaft und seine Pensionierung nicht mehr fern, sowohl was seinen Job als auch seine Rolle bei uns betraf. Vor einer Woche sind zwei Männer kurz nach Öffnung vor seinem Büro erschienen und …« Er spie die Worte förmlich aus. »Und sie haben ihm zweimal mitten ins Herz geschossen.«
Emily schwieg und hörte aufmerksam zu.
»Zuerst haben wir nicht gewusst, warum er ermordet worden war, doch der Bewahrer hat die Hintergründe rasch durchschaut. Eine von Marlakes letzten Übertragungen war eine Namensliste gewesen, die er vom Computer eines der Assistenten des Vizepräsidenten gestohlen hatte.«
»Des Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten?« Emily erschrak, und wieder lief ihr ein Schauder über den Rücken. »Was waren das denn für Namen?«
»Sie waren in zwei nicht näher bezeichnete Gruppen unterteilt; allerdings haben wir rasch herausgefunden, dass es sich bei der einen um Personen aus dem engsten Umfeld von Präsident Tratham handelte und bei der anderen um Unterstützer des Rates sowie Leute aus der näheren Umgebung des Vizepräsidenten. Abgesehen davon war uns die Bedeutung der Liste jedoch nicht klar … bis die Leute der ersten Gruppe nach und nach ermordet wurden.«
»Es war also eine Art Todesliste«, spekulierte Emily.
»Teilweise. Aber es ging nicht nur um Rache oder so was. Das Finale hier ist weitaus … dramatischer.«
Plötzlich fielen Emily all die Skandale ein, von denen Washington in den letzten Tagen erschüttert worden war. Ratgeber des Präsidenten waren angeblich von Terroristen ermordet worden, und der Präsident, so hieß es, habe das durch seine Taten selbst zu verantworten. Man sprach von Verrat und einer Gefährdung der Nationalen Sicherheit. Sogar von einem unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruch der Administration war die Rede.
»Warten Sie mal … Reden wir hier von einem Staatsstreich, einer Verschwörung?«
Athanasius nickte bedächtig, den Blick unverwandt auf Emily gerichtet.
»Es sieht so aus, als würde Präsident Tratham diesen Skandal nicht überstehen.«
»Aber Sie behaupten, der Skandal beruhe auf einer Lüge, korrekt?«, hakte Emily nach. »In den Nachrichten, die ich gelesen habe, hieß es, die Berater des Präsidenten würden einer nach dem anderen von ausländischen Terroristen ermordet … und dass Präsident Tratham die Nation in Gefahr gebracht habe, weil er diese Angriffe zu verantworten hätte. Und Sie sagen mir jetzt, das stimme nicht, diese Männer seien nicht von
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