Die verlorene Bibliothek: Thriller
Mitglieder der Gesellschaft sammelten schlicht spezifische Informationen und gaben sie weiter. Was das alles bedeutete und wie ihr Material ins große Ganze passte, das wussten sie nicht.
Was Emily jedoch am meisten faszinierte, war etwas anderes, und sie konnte nicht anders, als zu fragen:
»Warum all die Geheimniskrämerei, wenn es doch um eine Macht des Guten geht?« Sie rutschte ein Stück nach vorne. »All diese rigiden Sicherheitsmaßnahmen, diese Verschleierungstaktik und die Spuren, denen man nicht folgen kann … Das kommt mir ein wenig übertrieben vor.«
Athanasius legte frustriert die Stirn in Falten.
»Die Antwort ist einfach, Dr. Wess. Sucht man nach der Wahrheit, schafft man sich stets Feinde, und je größer die Wahrheit ist, desto größer ist auch der Feind.«
Aufmerksam beobachtete er Emily und suchte nach Hinweisen darauf, dass sie verstand.
»Wir sind so heimlichtuerisch, weil wir einen Feind haben«, fügte er schließlich hinzu.
Kaum waren diese Worte über seine Lippen gekommen, da wurde die unheimliche Stille des Kellergewölbes durch einen Knall vor der Tür durchbrochen. Emily schlug das Herz bis zum Hals, und sie sprang erschrocken auf. Bevor sie jedoch etwas sagen oder gar schreien konnte, hatte Athanasius ihr die Hand auf den Mund gelegt.
»Keinen Mucks«, zischte er.
KAPITEL SECHSUNDSECHZIG
12:29 U HR
»Runter!« Jason flüsterte seinem Partner den Befehl mit aller Dringlichkeit zu, zu der er fähig war. Die beiden Männer benötigten weniger als eine Sekunde, um sich in den Hauptgang zurückzuziehen und hinter zwei Regalen Deckung zu suchen, ein gutes Stück außer Sichtweite von Dr. Athanasius Antouns Büro.
Instinktiv wäre Jason am liebsten zu seinem Partner herumgewirbelt und hätte ihm seine Wut entgegengeschrien. Was zum Teufel ist passiert? Was hast du getan? Doch die Umstände gestatteten das nicht. Jason atmete tief durch, um sich wieder zu beherrschen. Vorsichtig spähte er hinter dem Regal hervor und blickte in Richtung des Büros. Aus einem Regal in dem kleinen Gang war ein Buch heruntergefallen. Das unerwartete Geräusch war nicht wirklich die Schuld seines Partners gewesen; das Buch hatte schlicht sehr wackelig dort gelegen. Es war ein ›Unfall‹ gewesen, um ein Wort zu benutzen, das der Sekretär nie hören wollte.
Als die Bürotür sich langsam öffnete, riss Jason den Kopf zurück. Dann drehte er sich zu seinem Partner um und legte die Finger auf die Lippen. Die beiden Männer hielten die Luft an. Sie hatten Angst, ihr Atmen könnte sie in den widerhallenden Gängen verraten.
Der großgewachsene ägyptische Gelehrte schaute vorsichtig zur Tür hinaus und ließ seinen Blick langsam von rechts nach links schweifen. In dem dunklen Gang war niemand zu sehen.
Dann schaute Athanasius nach unten. Auf dem Boden lag ein Buch. Er hob den Blick und bemerkte den schiefen Stapel, auf dem es gelegen hatte. Sein erleichtertes Seufzen war deutlich zu hören. Trotzdem sah Athanasius sich noch einmal gründlich um, bevor er in sein Büro zurückkehrte und die Tür wieder schloss.
Als der Riegel mit einem leisen Klick einrastete, atmeten Jason und der andere Freund langsam wieder ein.
Das war ein wenig zu knapp für meinen Geschmack.
Jason richtete sich wieder auf und lugte erneut hinter der Ecke hervor. In der Dunkelheit waren das kleine Mikrofon und der Sender an der Tür so gut wie unsichtbar. Er konnte nur hoffen, dass Antoun sie nicht bemerkt hatte.
KAPITEL SIEBENUNDSECHZIG
12:32 U HR
»Dr. Wess, bitte setzen Sie sich wieder.« Athanasius verschloss die Tür hinter sich und kehrte zu seinem Schreibtisch zurück.
Emily hatte die Augen aufgerissen, und ihr Atem ging flach und schnell. Das Adrenalin in ihrem Körper zeigte sichtlich Wirkung. Sie war dieses Maß an Stress schlicht nicht gewöhnt.
»Bitte, setzen Sie sich wieder«, sagte Athanasius, legte Emily die Hand auf die Schulter und drückte sie nach unten. »Das war nur ein Fehlalarm. Bitte, entschuldigen Sie.«
»Was zum Teufel war das denn?«
»Nur ein Buch, das von einem überfüllten Regal gefallen ist. Mehr nicht. Tut mir leid, wenn meine Reaktion Sie erschreckt haben sollte. Ich bin dieser Tage ein wenig nervös.«
»Das kann man wohl sagen!« Emily atmete lang und tief durch und kämpfte gegen die leichte Übelkeit an, die mit dem Schock gekommen war. »Wen haben Sie denn da draußen erwartet?«
Athanasius setzte sich ebenfalls wieder.
»Ich habe doch gerade den Grund für all die
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