Die Verlorene Ehre der Katerina Blum
Kopie des Plans bei ihr gefunden – dann wäre die Verschwörungstheorie perfekt untermauert, die Verbindung Rote-Trude-Banditen-Katharina-Herrenbesuch. So ein Plan wäre natürlich für alle Sorten von Ein- und Ehebrechern eine ideale Anleitung, ungesehen ein- und auszugehen. Ich selbst habe ihr noch erklärt, welche Höhe die einzelnen Gänge haben: wo man aufrecht gehen, wo man gebückt gehen kann, wo man kriechen muss, bei Rohrbrüchen und Kabelpannen. So, nur so kann dieser liebenswürdige junge Gentleman, von dessen Zärtlichkeiten sie jetzt nur noch träumen darf, der Polizei tritschengegangen sein, und wenn er wirklich ein Bankräuber ist, wird er das System durchschaut haben. Vielleicht ist auch der Herrenbesuch so ein- und ausgegangen. Diese modernen Wohnblocks erfordern ganz andere Bewachungsmethoden als die altmodischen Mietshäuser. Du musst der Polizei und der Staatsanwaltschaft gelegentlich mal ‘nen Tip geben. Die bewachen die Haupteingänge, vielleicht das Foyer und den Aufzug, aber da gibt es außerdem einen Arbeitsaufzug, der direkt in den Keller führt – und da kriecht einer ein paar hundert Meter, hebt nur irgendwo einen Kanaldeckel und ist perdu. Glaub mir: jetzt hilft nur noch beten, denn Schlagzeilen in der ZEITUNG in diesem oder jenem Zusammenhang kann er nicht brauchen, was er jetzt braucht, ist eine direkte handfeste Manipulation der Ermittlungen und der Berichterstattung darüber, und was er ebenso fürchtet wie die Schlagzeilen, ist das bittere und säuerliche Gesicht einer gewissen Maud, die seine ihm rechtmäßig und kirchlich angetraute Frau ist. von der er außerdem vier Kinder hat. Hast du denn nie bemerkt, wie “jungenhaft fröhlich”, fast ausgelassen – und ich muss schon sagen: richtig nett – er die paarmal mit Katharina getanzt hat, und wie er sich geradezu aufdrängte, sie nach Hause zu bringen, und wie jungenhaft enttäuscht er war, als sie ihren eigenen Wagen anschaffte? Das, was er brauchte, wonach sein Herz begehrte, so ein einmalig nettes Ding wie Katharina, nicht leichtfertig und doch – wie nennt ihr das doch – liebesfähig, ernst und doch jung und so hübsch, dass sie”s selber nicht wußte. Hat sie nicht auch dein Männerherz ein wenig erfreut?”
Ja, ja, das hatte sie: sein Männerherz erfreut, und er gab es zu, gab auch zu, dass er sie mehr, viel mehr als nur gern habe, und sie, Trude, wisse doch, dass jeder, nicht nur Männer, mal so Anwandlungen hätte, einfach mal jemand so in den Arm zu nehmen und vielleicht mehr – aber Katharina, nein, es war da etwas, das ihn nie, niemals zum Herrenbesuch bei ihr gemacht hätte, und wenn ihn etwas gehindert habe, ja es ihm unmöglich gemacht habe, zum Herrenbesuch zu werden – oder besser gesagt: das zu versuchen -, so wäre es nicht, und sie wisse, wie er das meine, nicht der Respekt vor ihr und die Rücksichtnahme auf sie, Trude, gewesen, sondern Respekt vor Katharina, ja, Respekt, fast Ehrfurcht, mehr, liebevolle Ehrfurcht vor ihrer, ja verdammt, Unschuld – und mehr, mehr als Unschuld, für das er keinen Ausdruck finde. Es sei wohl diese merkwürdige, herzliche Kühle an Katharina und – obwohl er fünfzehn Jahre älter sei als Katharina und es weiß Gott im Leben zu was gebracht habe – wie Katharina ihr verkorkstes Leben angepackt, geplant, organisiert habe – das habe ihn, hätte er überhaupt je Gedanken dieser Art gehabt, gehindert, weil er Angst gehabt habe, sie oder ihr Leben zu zerstören – denn sie sei so verletzlich, so verdammt verletzlich, und er würde, wenn sich herausstellen sollte, dass Alois wirklich der Herrenbesuch gewesen sei, er würde ihm – schlicht gesagt – “einen in die Fresse hauen”; ja, man müsse ihr helfen, helfen, sie sei diesen Tricks, diesen Verhören, diesen Vernehmungen nicht gewachsen – und nun sei es zu spät, und er müsse, müsse im Laufe des Tages Katharina auftreiben – aber hier wurde er in seinen aufschlussreichen Meditationen unterbrochen, weil Trude mit ihrer unvergleichlichen Trockenheit feststellte: “Der Herrenbesuch ist soeben vorgefahren.”
39.
Es soll hier gleich festgestellt werden, dass Blorna Sträubleder, der da tatsächlich in einem bombastischen Mietwagen vorgefahren war, nicht in die Fresse schlug. Es soll hier nicht nur möglichst wenig Blut fließen, auch die Darstellung körperlicher Gewalt soll, wenn sie schon nicht vermieden werden kann, auf jenes Minimum beschränkt werden, das die Pflicht der Berichterstattung auferlegt. Das
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