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Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Martin
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kümmern müssen. Es hatte einfach keine Zeit gegeben, um innezuhalten. Einmal im Monat hatte sie Josephs Grab besucht, doch auch da hatte sie sich nie Zeit gelassen und war schnell wieder gegangen. Es war zu schmerzhaft gewesen, zu bleiben.
    Claire seufzte noch einmal tief. Da war man nun schon so alt und machte doch noch so viele Fehler.
    Ein Windstoß brachte die Bäume auf der anderen Stra ßenseite in Bewegung. Im zweiten Stock des gegenüberliegenden Hauses bewegte sich ein Fensterladen. Claire setzte sich und zog die Strickjacke enger um ihre Schultern. Ich bin müde, dachte sie, ich habe zu viel falsch gemacht. Es ist vorbei.
    Lea, mit Neele in der Babytrage, war gerade um die Ecke gebogen, hatte einen gewohnheitsmäßigen Blick zum Bal kon hinaufgeworfen und blieb dann abrupt stehen. Wie auch in den letzten Tagen musste Claire den ganzen Tag dort oben verbracht haben. Bisher hatten sie nicht viel gemeinsam unternommen. Claire saß zumeist auf dem Balkon und fühlte sich zu müde für größere Unterneh mungen, Rike war oft von morgens bis abends verschwun den. Was hatte sie sich nur eingebildet auf der Fahrt? Dass sich jetzt für alles eine Lösung finden würde?
    Lea selbst hatte den Ort heute verlassen und war auf schmalen Pfaden, durch Gärten, Olivenhaine und Weinberge bergan gestiegen. Von oben hatte man einen wunderbaren Blick auf den Ort, dessen Häuser sich in die Bucht schmiegten, als gehörten sie schon seit Urzeiten dorthin. Sie hatte auch Teile der alten Stadtmauer erkennen können, einen Wachturm in der Nähe des Meeres – sie hatte versucht, sich zu erinnern, ob etwas von diesem Turm in den Briefen erwähnt wurde. Fern, draußen auf dem Meer, war ein großes Schiff vorbeigefahren.
    Dann war Neele aufgewacht und hatte energisch zu trinken verlangt. Lea hatte sich auf einen von Gebüsch geschützten Stein gesetzt und die Kleine angelegt. Etwas weiter oberhalb von ihr, auf der Straße, war ab und an ein Auto vorbeigefahren, dann wieder hatte sie Fußgänger gehört. Im Gras zirpten Grillen.
    Sie war sich anfangs unsicher gewesen, aber sie hatte es doch genossen, alleine zu sein. Den Weg zurück in den Ort war sie nicht durch die Gärten gegangen, sondern die Straße entlang. Sie war dichter am Wachturm vorbeigekommen, war über das Kopfsteinpflaster wieder tiefer in den Ort eingedrungen. Sie hatte eine Gruppe Touristen mit ihrem Führer überholt, hatte in einem kleinen Gemüseladen frische Tomaten geholt, auf die sie plötzlich eine unbändige Lust verspürte.
    Behutsam schob sie nun den Schlüssel ins Schloss der Haustür und drehte um, hatte kurze Zeit später den Eingang der Ferienwohnung erreicht. Mit einem Schlag verspannte sie sich.

F ünftes Kapitel
    Seit sie hier war, war ihr mehr nach Schweigen zumute. Rike lächelte den schüchternen Ladenbesitzer an, dessen Hände zitterten, als er ihr den Schmuck verpackte. Leise Jazzmusik drang aus einem Radiogerät. Da der Mann sie kaum angucken konnte, empfand auch sie es als unhöflich, ihn anzustarren. Trotzdem registrierte sie nun, während ihrer zweiten Begegnung, dass er eher klein und ein wenig untersetzt war.
    Lad ihn zu einem Espresso ein, sagte eine leise Stimme in ihr. Aber nein, das kann ich nicht, eine andere.
    Sie schaute auf ihre Hände, die nun ebenso zitterten wie seine, und schob sie in die Taschen ihrer Jeans.
    So habe ich mich nicht mehr gefühlt, seit ich ein junges Mädchen gewesen bin, dachte sie, und mich in den schönsten Jungen der Klasse verliebt hatte. Aber ich bin nicht verliebt, ich bin nicht … Nun, was bist du dann?
    Sie wusste nur, dass sie sich diesem Mann verbunden fühlte.
    »Signora, prego.« Er überreichte ihr das kleine Päckchen. Inzwischen zitterte er nicht mehr, und Rike fühlte sich erleichtert. Sie wollte nicht, dass er sich unwohl fühlte. Nein, das wollte sie keinesfalls.
    Sie lächelte ihn an. Er lächelte zurück, etwas traurig, aber er lächelte.
    »Grazie«, sagte sie, »mille grazie.«
    Er folgte ihr bis zur Tür. »Arrivederci, signora.«
    Rike ging ein paar Schritte, drehte sich noch einmal um, nickte ihm zu und beschleunigte ihre Schritte.
    Wie am vorherigen Tag suchte sie wieder das Café auf, in dem man ihr von der Punta della Madonna erzählt hatte. Man grüßte sie, als sie eintrat, mit wissendem Lächeln, als handele es sich bei ihr um einen vertrauten Gast. Dieses Mal bestellte Rike einen Cappuccino und ein Stück Kuchen, das sie an eine Linzer Torte erinnerte.
    Das junge Mädchen, das

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