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Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Martin
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sie den beiden vom Fenster im ersten Stock zusah, habe ich darauf gewartet, dass Gianluca zurückkommt, aber er ist nie gekommen. Irgendwo ist er im Gewirr der Welt verschwunden, wie so viele vor ihm. Sie hoffte, dass er es unbeschadet nach Hause geschafft hatte, dass ihm die Wirren und Kriege der letzten Jahre nichts hatten anhaben können.
    Während sie sich schon abwandte, drang noch einmal Luisas überbordendes Lachen zu ihr herauf. Sie hatte auf das Mädchen achtgegeben, sie hatte ihm auch einen Platz im Haus der Steins gegeben. Von ihrer wirklichen Mutter wusste Luisa wenig. Nur dass sie tot war, hatte Helene ihr irgendwann erzählt.
    Unwillkürlich fiel Helenes Blick auf das Bündel Briefe und Schriftstücke in ihrer Hand. Sie hatte überlegt, ob Luisa sie lesen sollte, sich letztendlich aber dagegen entschieden. Langsam stieg sie jetzt die Stufen zum obersten Stockwerk hinauf. Anfang 1815 war sie, vierzigjährig, nach vielen Ehejahren endlich schwanger geworden. Die Schwangerschaft war bisher schwierig verlaufen, und der Sohn des alten Dr. Kamenz hatte mehrfach bedenklich die Stirn gerunzelt, aber nun hatte sie einen Großteil hinter sich ge bracht. Es wird gut gehen, dachte sie, es wird gut gehen.
    Helene schnaufte, als sie oben ankam. Das Kind trat und bewegte sich, und mit einem glücklichen Lächeln legte sie die Hand auf ihren Bauch. Seit gut zwei Wochen waren Handwerker damit beschäftigt, einen Teil der obe ren Räumlichkeiten für das junge Paar herzurichten. Auch der Boden wurde neu verlegt. Helene hatte nun das hinterste kleine Zimmer erreicht, von dem aus man einen guten Blick über die Umgegend hatte. Hier würde das Schlafzimmer sein. Hier würden Luisas Kinder geboren werden. Hier würde Luisa, ohne etwas davon zu ahnen, auf den Briefen schlafen, die ihre Geschichte erzählten.
    Ächzend ließ sich Helene auf die Knie nieder und suchte die Dielen zur Wand hin nach einem kleinen Loch ab. Endlich gelang es ihr, eine Diele zu lösen. Darunter war eine kleine Höhlung, die sie schon Tage vorher ge schaffen hatte. Helene nahm die Briefe und schob sie hin ein. Mühevoll kam sie wieder auf die Knie hoch, zog sich endlich am Fensterrahmen in die Höhe.
    Es dauerte einen Moment, bis sie wieder zu Atem kam. Im Flur unten angekommen, musste sie noch einmal innehalten. Sie fühlte sich jetzt so erschöpft, dass sie etwas länger benötigte, um zurück zu den Feiernden im Hof zu gelangen.
    »Du bist blass«, sagte Anton zu ihr und streichelte liebevoll ihre Wange. »Geht es dir nicht gut?«
    »Doch, doch«, sagte Helene, mit den Augen nach Luisa suchend und mit dem festen Gefühl, das Richtige getan zu haben.
    An diesem Abend konnte Luisa es kaum erwarten, sich ihr neues Schlafzimmer noch einmal anzusehen. Tante Helene hatte nicht bemerkt, dass sie ihr gefolgt war, aber als sie sich so unvermittelt zurückgezogen hatte, war Luisa doch neugierig geworden. Suchend blickte sie sich nun um. Die Öllampe gab etwas Licht, aber nicht genügend, und sie hatte die Suche schon fast aufgegeben – der Raum war leer, was hoffte sie nur zu finden? –, als sie auf ein winziges Fädchen aufmerksam wurde, das zwischen zwei Dielenbrettern klemmte. Und tatsächlich, stellte sie wenig später fest, eines der Bretter ließ sich anheben. Einen Mo ment später hockte Luisa unter dem Fenster, die Öllampe neben sich, und hielt das erste Schriftstück in den Hän den. Mainz, 1792 , stand ganz zuoberst. Sie begann zu lesen.

DANKSAGUNG
    An der Entstehung eines Buches und an seinem Weg in die Buchhandlungen sind viele Menschen beteiligt, die man als Autorin oft gar nicht kennenlernt. Ich möchte mich bei ihnen für ihre tolle Arbeit ebenso bedanken wie bei Bastian Schlück und Barbara Raschig. Ganz besonders danke ich aber Carola Fischer, für ihren Einsatz, ihren scharfen Blick, ganz einfach dafür, dass sie diesen Roman zu einem besseren gemacht hat.
    Rebecca Martin
    März 2012

REBECCA MARTIN IM GESPRÄCH
    Was hat Sie zu Ihrem Roman »Die verlorene Geschichte« inspiriert?
    So lange ich denken kann, hat mich die Vergangenheit gefesselt. Dazu gehört natürlich auch die Geschichte der eigenen Familie. Ich habe immer sehr gerne bei meinen Großmüttern und ihren Freundinnen gesessen und deren Geschichten von früher gelauscht. Leider weiß ich trotzdem sehr wenig über die vorangegangenen Generationen; meist nur Bruchstücke, die dann auf ihre Weise ihren Weg in meine Geschichten finden. Beispielsweise hatte einer meiner

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