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Die verlorene Koenigin

Die verlorene Koenigin

Titel: Die verlorene Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frewin Jones
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an den Hals und vergrub das Gesicht in ihrem dunklen Haar. Sie konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten.
    Die armen Mädchen! Die todkranke Ann Burbage. Die ertrunkene Gracie. Flora Llewellyn mit dem goldenen Haar und dem Engelsgesicht. Wie viele Kinder wohl gestorben waren, bevor Anita Palmer schließlich geboren wurde?
    Nach einer Weile beruhigte sich Tania. Sancha hatte ihr vorgeschlagen, sich eine Weile hinzulegen, doch sie fand keine Ruhe. Sie konnte nicht schlafen, denn sie fürchtete, Gabriel Drake würde ihr erneut im Traum auflauern. Deshalb war sie zurück in den Keller gegangen und saß nun mit Edric auf einem Stapel alter Teppiche. Sie hatte ihm ein belegtes Brot gebracht, und sie unterhielten sich, während er aß.
    »Du siehst müde aus«, meinte er. »Warum legst du dich nicht ein bisschen hin? Ich wecke dich, wenn ich hier fertig bin.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Alle sagen mir, ich soll schlafen«, antwortete sie. »Aber niemand denkt daran, dass ich jede Nacht Albträume habe. Und außerdem wollte ich bei dir sein. Ich möchte dir helfen.«
    Er lächelte. »Ich dachte, du würdest vielleicht gern in Titanias Nähe sein. Freundest du dich mit dem Gedanken an, zwei Mütter zu haben?«
    »Nein«, gestand sie. »Es fühlt sich so merkwürdig an. Vermutlich geht es einem so, wenn man erfährt, dass man adoptiert wurde und noch eine andere Familie hat. Bei mir ist es allerdings noch schlimmer! Alle reden von Sachen, bei denen ich dabei war, aber ich kann mich an nichts erinnern.« Sie beugte sich vor und küsste Edric auf die schmutzverschmierte Wange. »Wenigstens habe ich dich«, murmelte sie, umarmte ihn und lehnte den Kopf an seine Schulter.
    »Weißt du, was merkwürdig ist?«, sagte sie leise. »Ich war so darauf fixiert, Titania zu finden, dass ich sie mir immer als Mensch in der Welt der Sterblichen vorgestellt habe.« Sie sah ihm ins Gesicht. »Dabei ist sie eine Elfe. Titania lebt seit fünfhundert Jahren in London. Sie war hier, als König Charle s I. enthauptet wurde und als die halbe Stadt im Großen Feuer zerstört wurde. Sie bekam mit, wie Nelson Napoleon in der Schlacht von Trafalgar geschlagen hat. Sie lebte, als Königin Victoria den Thron bestieg, während der beiden Weltkriege und als das neue Jahrtausend anbrach. Die ganze Zeit, fünfhundert Jahre lang, hat sie nur darauf gewartet, wieder mit mir zusammen zu sein.« Tania setzte sich aufrecht hin und zuckte nachdenklich mit den Schultern. »Und jetzt weiß ich einfach nicht, was ich mit ihr reden soll. Sage ich lieber: ›Hallo, Mum, danke, dass du mich nicht aufgegeben hast?‹ Oder: ›Es ist nett, Euch kennenzulernen, Eure Königliche Hoheit, aber ich habe bereits eine Mutter, vielen Dank?‹« Sie sah ihn an. »Kannst du dir vorstellen, dass das sehr bizarr für mich ist?«
    »Nein«, gab er zu. »Das kann ich nicht. Ich bin innerlich nicht so zerrissen wie du. Ich weiß, wo ich sein möchte.«
    »Im Elfenreich.«
    »Nein, bei dir .«
    »Also, falls wir das alles überleben sollten, die Grauen Ritter besiegen und Oberon retten und ich dann entscheide, dass ich lieber hier leben möchte als im Elfenreic h – dann wärst du wirklich und wahrhaftig bereit, mit mir hierzubleiben?«
    Edric lächelte müde. »Erst mal müssen wir das alles überstehen. Wenn Lyonesse uns besiegt, haben wir sowieso keine Wahl mehr.« Er stand auf. »So«, sagte er und ergriff das Kristallschwert. »Dann wollen wir das hier mal zu Ende bringen.«
    »Was kann ich tun?«
    Er deutete in eine Ecke. »Da drüben liegen Schutzbrillen und Handschuhe«, sagte er. »Die ziehst du an und außerdem benötigst du eine Zange, um damit die Bernsteine in Position zu halten.«
    Sie setzte die Schutzbrille auf und zog das Lederband fest. Die runden Linsen waren zwar zerkratzt, aber sie konnte noch genug erkennen. Sie streifte sich die schweren Lederhandschuhe über und bückte sich nach der langen Metallzange. Dann ging sie zurück zu Edric, der mit der Schutzbrille über den Augen und dem Schweißbrenner in der Hand auf dem Boden hockte.
    Sie kniete sich neben ihn und sah zu, wie er das Gerät in Gang setzte. Die Flamme sah aus wie ein schlankes weißes Blatt, das inmitten des zischenden blauen Feuerscheins tanzte.
    Edric platzierte das Schwert zwischen sich und Tania auf dem Betonboden und legte vorsichtig einen der schwarzen Steine auf die Klinge.
    »Okay«, befahl er. »Du musst die Klinge gut mit der Zange festhalten, damit der Stein nicht wegrutscht. Kriegst du

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