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Die verlorene Kolonie

Die verlorene Kolonie

Titel: Die verlorene Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Strohmeyer
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fragte Addy und gähnte hinter vorgehaltener Hand.
    „Ich weiß nicht … hier, schaut doch mal selbst. Rodriguez Perrez hat die Insel mit der Kolonie Roonock markiert, der Namenszug steht daneben, auch hat er die Route der beiden Schiffe eingetragen, welche sie nach dem Verlassen von Roanoke genommen haben, nämlich nordwärts.“
    Ich betrachtete den gleichmäßigen Zickzackkurs auf der Karte. Rodriguez Perrez war systematisch vor der Küste durch die großen Sunde gekreuzt, um möglichst viel Fläche abzudecken. Als ob er etwas gesucht hatte. Die geheimnisvolle Siedlung? „Aber warum hat er die Kolonie nicht auf der Karte verzeichnet?“, murmelte ich grübelnd vor mich hin. „Er hatte sie laut seines Berichtes doch gefunden.“
    „Womöglich doch nur ein Mythos“, seufzte Addy enttäuscht.
    „Das kann ich nicht glauben. Da muss etwas sein!“ Erneut folgten meine Augen dem Kurs der Schiffe und überprüften die markierten Ankerplätze. Ich spürte, wie Müdigkeit meine Lider schwer werden ließ. Kein Wunder, der Tag war ja auch anstrengend gewesen. Ich wollte schon aufgeben, da blieb ich plötzlich an einer Stelle vor der Küste des heutigen Maryland hängen. Dort gab es eine winzige, kaum merkliche Unregelmäßigkeit in dem Kurs, so als ob eines der Schiffe einen Zickzacksprung falsch navigiert hätte. Einer der Haken war minimal größer als die anderen.
    „Ich glaub, ich hab was“, sagte ich und legte einen Finger darauf.
    Meine Freunde nickten.
    „Die Stelle sieht irgendwie verschmiert aus“, bemerkte Addy.
    Ich hob die Karte näher ans Licht. „Als hätte dort jemand radiert. Aber die Karte ist mit Tinte gezeichnet.“
    „Ja, stimmt.“ Ben unterdrückte ein Gähnen und schob seine Nase dichter an das Dokument. Auch Addy rückte näher. Ich spürte ihren Atem auf meiner Wange. Wenn ich meinen Kopf jetzt drehen würde, könnte ich sie glatt küssen. Völlig verdattert von dieser Vorstellung blinzelte ich ein paar Mal und konzentrierte mich dann wieder auf die Karte.
    Ben zog derweil an einer Ecke und brachte das Papier direkt vors Licht. Wir alle stießen überrascht Luft aus, als wir den dunkeln Fleck erkannten.
    „Da hat jemand was drübergeklebt!“, sagte Ben als erstes.
    Ich legte die Karte ab, fischte mein Taschenmesser aus der Hosentasche und klappte es auf.
    „Du willst doch damit nicht in das Papier schneiden!“, protestierte Addy.
    „Nein“, beruhigte ich sie, „ich will nur versuchen, die Schicht abzukratzen.“ Ich setzte die Klinge auf die Karte und begann vorsichtig zu schaben.
    Ben und Addy hielten die Luft an, denn es grenzte an einen Frevel, ein womöglich vierhundert Jahre altes Dokument zu beschädigen. Aber es ging nicht anders. Wenn wir herausfinden wollten, was sich dahinter verbarg, dann mussten wir es auf diese Weise tun. Für eine aufwendige Röntgenuntersuchung hatten wir keine Zeit, denn die Wartelisten waren hier ähnlich lang wie für den Massenspektrometer, bei dem ich ja glücklicherweise meine Beziehungen hatte spielen lassen können. Und einen Arzt mit einer Röntgenpraxis kannte ich auch nicht.
    Ich schabte also die oberste Papierschicht ab, die wie eine Art Pappmaché dünn auf die ursprüngliche Oberfläche der Karte aufgetragen worden war. Darunter kamen nur langsam undeutliche Linien zum Vorschein, und ich musste aufpassen, sie nicht zu zerkratzen. Nervös wischte ich mir über die Augen, die immer wieder zuzufallen drohten, denn ich fühlte mich auf einmal so müde, als hätte ich nächtelang nicht geschlafen. Aber das Geheimnis der Karte lockte. Wir waren kurz davor, es zu lüften.
    Ich schabte weiter, bis eine Schrift zum Vorschein kam und ein sternartiges Gebilde, das im Landesinnern eingezeichnet worden war. Ich pustete die Krümel fort und hielt die Karte erneut vors Licht, aber die Schrift war nicht zu entziffern.
    „Vielleicht mit einer Lupe“, sagte ich und erhob mich. Ein jäher Schwindel erfasste mich und ich taumelte zu meinem Schreibtisch, an dem ich mich erst einen Moment festhalten musste, bevor ich die Lupe aus einer der Schubladen kramte.
    „Alles in Ordnung, Jerry?“, fragte Addy und gähnte laut. „Sorry, ich bin ziemlich müde. Ich glaube, ich gehe gleich nach Hause.“
    „Ich auch, bin ganz schön k.o., aber vorher will ich wissen, was da steht!“ Ben deutete auf die Karte.
    Ich kehrte mit der Lupe zurück und untersuchte die Schrift. „Es sind drei Worte“, sagte ich und beugte mich tiefer über die Karte. „Aber ich kann

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