Die verlorene Kolonie
Tagen neue Inforationen bekommen, die ich noch aufarbeiten muss. Ich will sie unbedingt verwenden.“
„Aha, und was für Informationen sind das?“, fragte Dad. Er interessierte sich immer sehr für mein Studium, und ich wusste, dass er große Freude an Rätseln und Geheimnissen hatte. Es würde ihm gefallen, Teil unserer kleinen Forschungsgruppe zu sein, aber ich konnte ihm nichts von der Handschrift und der Karte erzählen. Schließlich hatte ich die Dokumente geklaut. Okay, ausgeliehen , korrigierte ich mich. Das klang besser, änderte aber nichts an der Tatsache, dass ich sie mir auf unerlaubtem Wege angeeignet hatte. Ich musste es also für mich behalten. Mr. Dudley würde hoffentlich bis zum Abschluss meiner Arbeit dichthalten, denn es sollte ja eine Überraschung für meinen Vater sein.
„Ach, es ist eine Quelle, die ich übersehen hatte. Nichts wirklich Neues über die verlorene Kolonie.“ Ich trank einen Schluck Kaffee, um nicht weiterreden zu müssen.
„Die Geschichte um Roanoke ist faszinierend und ich bin auf deine Arbeit schon sehr gespannt. Wann, denkst du, werde ich sie lesen können?“
„Äh, wahrscheinlich im Sommer. Dann habe ich die Rohfassung fertig.“ Ich hoffte inständig, dass ich diesen Zeitplan auch einhalten konnte.
„Und was ist mit den Dare-Steinen?“, fragte mein Dad.
„Was soll damit sein?“
„Würdest du sie nicht gerne untersuchen? Ich meine, sie haben doch auch mit dem Thema zu tun. Es ist doch sicherlich interessant, mit eigenen Augen zu sehen, was Eleanor Dare da angeblich vor vierhundert Jahren bei ihrer Flucht aus Roanoke verfasst hat.“
„Ja, natürlich. Aber ich weiß ja nicht mal, wo die Steine lagern.“ Ich aß den letzten Happen Pfannkuchen auf und putzte mir den Mund ab. „Die Behörde zum Schutz von Kulturgütern hält sie unter Verschluss, als ob sie ein Staatsgeheimnis wären. Dabei wurde doch damals in allen Medien proklamiert, die Steine seien eine Fälschung. Ich finde das schon etwas merkwürdig.“
„Da hast du recht. Was ist denn mit den Leuten, die die Steine damals untersucht haben? Kannst du über die nicht was in Erfahrung bringen?“
„Die kann ich nicht mehr befragen, das war 1940, Dad, vor neunzig Jahren! Die sind alle längst tot.“
„Tja, das ist schade. Nun, ich habe da einen Freund am American Museum of National History, der arbeitet eng mit der Behörde zum Schutz von Kulturgütern zusammen und könnte dort einmal nachfragen, was mit den Steinen passiert ist. Was hältst du davon?“
„Du meinst Mr. Dudley?“, fragte ich besorgt.
„Nein, der ist doch an der St. Johns Universität. Es ist jemand anderes, den du nicht kennst. Ich hab so viele Freunde, da verliere ich selbst manchmal den Überblick.“ Mein Dad lachte.
Viele Freunde? , dachte ich misstrauisch. Wie um alles in der Welt hielt er mit ihnen Kontakt, wenn er doch nie sein Zimmer verließ? Über sein iD?
Wie als Bestätigung piepte das intelligent Device meines Vaters, das zwischen dem Frühstücksgeschirr auf dem Tisch lag. Er hatte eine Nachricht bekommen und las sie schnell, bevor er sich mir wieder zuwandte. „Vielleicht findet mein Freund ja raus, wo die Dare-Steine sind und vielleicht darfst du sie mal sehen. Wäre das mit dem Zeitplan deiner Arbeit vereinbar?“
„Aber natürlich! Das wäre großartig!“, rief ich begeistert. „Dafür würde in den Abgabetermin sogar noch verschieben.“
„Nun gut, dann will ich mich mal dahinterklemmen. Ich habe gerade etwas Luft, bevor ich das nächste Heft anfange.“
Ich grinste. „Die Saturnvillage Saga?“
Mein Dad grinste zurück. „In Band hundertdreizehn geht es um eine verbotene Liebe!“ Er zwinkerte mir zu.
Oh Mann, was für ein Schund! , dachte ich und sah zu Selma hinüber, die gerade mit dem Säubern des Herdes fertig war. Mein Blick fiel auf die Anrichte mit der Keksdose. Apropos. Ich stand auf und holte die Dose an den Tisch. Selmas Blick folgte mir stirnrunzelnd. Aber ich hatte nicht vor, wieder heimlich von ihren Keksen zu naschen, sondern wollte meinem Dad den Schriftzug zeigen.
„Sieh mal, was ich entdeckt habe. Auf der Dose steht ‚Olympic Regent Hotel‘! Ist das nicht irre? Das sagst du doch immer im Schlaf.“
Douglas Benchley sah sich mit ernstem Gesicht die Dose an. „Hmmm“, war alles, was er sagte.
Ich wandte mich an Selma „Woher hast du die Dose eigentlich?“
Unsere Haushälterin sah mich mit seltsam verkniffener Miene an, während ihre Hände die orangefarbene
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