Die verlorene Kolonie (German Edition)
Sie hatte es sich deshalb angewöhnt, entweder unter den Ersten der Aussteiger zu sein oder als Letzte von Bord zu gehen. Da sie wegen ihrer Verspätung einen Mittelplatz hatte, entschloss sie sich abzuwarten. „Das war die Verspätung aber wert!“ dachte sie mit einem seligen Grinsen.
Als sie endlich an die Reihe kam, zog sie sich mit geübten Griffen an den Haltegriffen entlang, bis sie die leichte Schwerkraft des rotierenden Kerns der Station zwang, die Füße auf den Boden zu setzen. Mit kleinen schlurfenden Schritten, um nicht abzuheben und sich den Kopf an der Decke zu stoßen, die die Konstrukteure aus diesem Grund vorausschauend gepolstert hatten, ging sie zu den Aufzügen.
Da sie bis zum Abflug nach Techno noch zwei Stunden Zeit hatte, tat sie dass, was Frauen in solchen Situationen seit Jahrhunderten machen. Sie ging shoppen. Die Konstrukteure hatten dieses Bedürfnis ihrer Passagiere vorhergesehen und eine Etage der riesigen Raumstation mit kleinen, gemütlichen Restaurants und Geschäften vorgesehen. Sie ließ sich durch die Geschäfte treiben, kaufte hier etwas, dort etwas, bis sie zum Schluss in einem kleinen Restaurant landete, in dem sie die Zeit bis zum Abflug bei einem Kaffee verbrachte. Diesmal rechtzeitig erreichte sie dann den Andocktunnel der Fähre, die sie zu ihrem Schiff bringen sollte. Sie schwebte zu ihrem Sitz in der kleinen, fensterlosen Fähre. Nachdem das Abkoppeln unter dem üblichen lauten metallischen Geräuschen und dem Zischen der Düsen erfolgt war, flog die Fähre zu ihrem Schiff. Auf der Route nach Techno wurden selten Passagierschiffe eingesetzt, auch in diesem Fall war ihr Transportmittel ein Frachtschiff, das mit einer zusätzlichen Kabinensektion ausgerüstet war.
Als sie sich in der kleinen, aber gemütlich eingerichteten Kabine eingerichtet hatte, kam durch das interne Comsystem auch schon die Durchsage: „Bitte alle Passagiere in eine sichere Position und vor herabstürzenden Gegenständen sichern!“ In den alten Zeiten, als das Lagoonsystem noch Teil der terranischen Föderation war, waren etliche Reedereien auf Schadensersatz verklagt worden, weil Passagieren ihr schlecht verstautes Handgepäck auf den Kopf gefallen war. Bei den geringen Beschleunigungen der Schiffe führte das zwar nicht zu Verletzungen, aber die Rechtsanwälte der terranischen Föderation wollten auch ihr Geld verdienen. Nach der Zerstörung des Transferpunktes waren Dank der Änderung der Verfassung auch Rechtsanwälte nicht mehr notwendig, sondern durch Schiedsgerichte der Bürger ersetzt worden. Die alte Tradition der Warnung hatte sich aber gehalten.
Max spürte, wie sich die Beschleunigung langsam steigerte, bis sie mit der halben Erdschwerkraft in ihre Liege gedrückt wurde. Als die Beschleunigung konstant blieb, stand sie auf und machte sich auf den Weg durch die immer gleich aussehenden Gänge der Kabinensektion, bis sie den Aufenthaltsraum erreichte. Sie besorgte sich einen kleinen Imbiss, danach beschäftigte sie sich mit dem Entwurf der Rede, die sie zum Stapellauf des ersten Forschungsschiffes des FIA halten sollte. Auch kam sie in Gespräch mit einigen Mitreisenden, hauptsächlich Mitarbeitern der Fabrikationsstätten von Techno, die ihren Heimaturlaub beendet hatten. Max genoss diese Gespräche, da die Praktiker der Fertigungsbetriebe ihr manchmal neue Ansichten für ihre Probleme lieferten. Trotz allem verlief die Reise ereignislos, bis auf die am zweiten Flugtag eintretende Phase der Schwerelosigkeit, in der das Schiff um 180 Grad gedreht wurde, um das Bremsmanöver zu beginnen.
Endlich war die Reise zu Ende und die Passagiere wurden von den Landefähren aus dem Orbit zum Techno Raumhafen gebracht. Als Max die Treppe der in einem druckdichten Hangar gelandeten Fähre hinunter ging, hielt sie sich dabei vorsichtig am Geländer fest, weil ihr Körper sich erst wieder auf die Techno Schwerkraft mit 0,7 Gravo einstellen musste. Da sie aber als Vielreisende das Problem kannte, hatte sich ihr Körper schnell wieder auf die herrschenden Bedingungen eingestellt.
Nachdem sie den Fährenhangar verlassen hatte, schlenderte sie zum Bahnhof der Magnetschwebebahn. Sie betrat den Waggon und musste bis zur Abfahrt nur zehn Minuten warten. Als das Abfahrtsignal ertönte und sich die Türen luftdicht verriegelten, erhob sich der Zug mit einem leichten Ruck aus seiner Ruheposition. Langsam fuhr er los, bis er eine Schleuse erreichte, in der er kurz verweilte, bis die riesige Schleusenkammer
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