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Die Verlorene Kolonie

Die Verlorene Kolonie

Titel: Die Verlorene Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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haben.«
    Sofort veränderte sich Abbots Gesichtsausdruck. Verschwunden war der wohlmeinende Lehrmeister, jetzt zeigte er sein wahres Wesen.
    »Gar nichts habe ich gesehen«, zischte er und zerrte Nr. 1 vom Boden hoch. »Es ist überhaupt nichts passiert, du dämliche kleine Missgeburt. Der Spieß war mit Asche bedeckt, weiter nichts. Es gab keine Verwandlung und keine Magie.«
    Abbot zog Nr. 1 so dicht zu sich heran, dass dieser die Fleischfetzen zwischen seinen vergilbten Zähnen sehen konnte. Als Abbot das nächste Mal sprach, klang seine Stimme irgendwie anders. Vielschichtig. Als ob ein ganzer Chor mehrstimmig sang. Es war eine Stimme, die man nicht ignorieren konnte. Eine magische Stimme?
    »Wenn du wirklich ein Zauberer bist, solltest du auf der anderen Seite sein, bei deinesgleichen. Wäre das nicht das Beste? Ein kleiner Sprung, mehr braucht es nicht. Verstehst du, was ich dir sage, Weichei?«
    Nr. 1 nickte benommen. Was für eine wunderbare Stimme. Wo kam die her? Von der anderen Seite natürlich. Von dort, wo er hingehen sollte. Ein kleiner Schritt für einen Knirps.
    »Ja, ich verstehe, Sir.«
    »Gut. Dann wäre das ja geklärt. Wie Lady Heatherington Smythe sagen würde: ›Wohlan denn, junger Mann, die große, weite Welt ist dein.‹«
    Nr. 1 nickte, weil er wusste, dass Abbot es von ihm erwartete, doch in ihm sträubte sich alles. Sollte das sein Leben sein? Auf ewig verspottet, auf ewig anders. Kein Lichtblick. Es sei denn, er wechselte auf die andere Seite.
    Abbots Vorschlag war seine einzige Hoffnung. Die Seite wechseln. Bisher hatte die Vorstellung, in einen Vulkankrater zu springen, für Nr. 1 nie den geringsten Reiz gehabt, doch jetzt erschien sie ihm geradezu unwiderstehlich. Er war ein Zauberer, daran konnte es keinen Zweifel geben. Und irgendwo da draußen, in der Welt der Menschen, gab es jemanden, der wie er war. Ein Bruder, der ihn seine Künste lehren würde.
    Nr. 1 sah Abbot nach, der den Raum verließ, auf dem Weg zur nächsten Gelegenheit, die eigene Macht auszuspielen. Wahrscheinlich würde er die Frauen in ihrem Lager schikanieren - eine weitere von seinen Lieblingsbeschäftigungen. Andererseits, so schlecht konnte Abbot auch wieder nicht sein, schließlich hatte er Nr. 1 diese wunderbare Idee eingegeben.
    Ich kann nicht hierbleiben , dachte Nr. 1. Ich muss zum Vulkan gehen.
    Der Gedanke setzte sich in seinem Hirn fest und hatte innerhalb weniger Minuten alle anderen Gedanken überlagert.
    Geh zum Vulkan.
    Es dröhnte durch seinen Schädel wie Wellen, die sich am Ufer brachen. Tu, was Abbot gesagt hat. Geh zum Vulkan.
    Nr. 1 wischte sich den Staub von den Knien. »Gar keine schlechte Idee«, sagte er zu sich selbst, gerade laut genug, dass Rawley ihn hören konnte. »Ich glaube, ich gehe zum Vulkan.«

Kapitel 4
     
    Ein bühnenreifer Auftritt
     
     
    Teatro Massimo Bellini, Catania, Sizilien.
     
    Artemis Fowl und sein Leibwächter Butler entspannten sich in einer Privatloge links oberhalb der Bühne in Siziliens weltberühmtem Teatro Massimo Bellini. Das heißt, vielleicht trifft es nicht ganz zu, dass Butler sich entspannte. Er tat vielmehr so, als ob er sich entspannte, wie ein Tiger vor dem Sprung.
    Butler fühlte sich hier noch unwohler als in Barcelona. Vor der Spanienreise hatte er zumindest ein paar Tage Zeit gehabt, sich vorzubereiten, doch bei diesem Ausflug hatte er es kaum geschafft, seine Kampfkunst-Trainingseinheit dazwischenzuschieben.
    Kaum dass der Bentley vor Fowl Manor vorgefahren war, hatte Artemis sich in sein Arbeitszimmer zurückgezogen und die Computer gestartet. Butler hatte die Gelegenheit genutzt, ein wenig zu trainieren, sich frisch zu machen und das Abendessen zuzubereiten: Zwiebelquiche, Lammrippe mit Knoblauchgratin und als Nachtisch Waldbeeren-Crêpes.
    Beim Kaffee rückte Artemis mit der Neuigkeit heraus. »Wir müssen nach Sizilien«, sagte er und spielte mit dem Keks auf seiner Untertasse herum. »Mir ist bei den Berechnungen bezüglich des Zeitbanns ein Durchbruch gelungen.«
    »Wann brechen wir auf?«, fragte der Leibwächter. Im Geist ging er bereits seine Kontakte auf der Mittelmeerinsel durch.
    Artemis sah auf seine Rado-Armbanduhr.
    Butler stöhnte unwillkürlich. »Sie sollen nicht auf die Uhr sehen, Artemis, sondern in den Kalender.«
    »Tut mir leid, alter Freund. Aber Sie wissen ja, die Zeit ist knapp. Ich kann es nicht riskieren, eine Erscheinung zu verpassen.«
    »Aber im Jet haben Sie noch gesagt, die nächste stünde erst in sechs

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