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Die Verlorene Kolonie

Die Verlorene Kolonie

Titel: Die Verlorene Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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Menschenmann.«
    »Hallo, Stony«, sagte Nr. 1 schwach. »Wie geht es dir?«
    Die Puppe hielt ein kleines hölzernes Schwert in der Hand.
    »Ist doch scheißegal. Und mir ist auch scheißegal, wie's dir geht, denn ich hasse alle Unterirdischen«, sagte Abbot mit Quäkstimme. »Ich habe sie aus ihrer Heimat vertrieben. Und falls sie je versuchen sollten zurückzukommen, bringe ich sie alle um.«
    Abbot ließ die Puppe sinken. »Na, was für ein Gefühl hast du jetzt?«
    Ich habe das Gefühl, dass der falsche Dämon Rudelführer ist , dachte Nr. 1, doch laut sagte er: »Äh... Zorn?«
    Abbot blinzelte. »Zorn? Wirklich?«
    »Nein«, gestand Nr. 1 nervös. »Ich fühle gar nichts. Es ist eine Puppe. Ich kann Ihre Hände durch den Stoff sehen.«
    Abbot stopfte Stony zurück in seine Tasche. »Jetzt reicht's. Ich hab die Nase voll von dir, Nr. 1. Du wirst dir niemals einen Namen aus dem Buch verdienen.«
    Nach dem Krampf bekamen Dämonen einen Menschennamen aus Lady Heatherington Smythes Hecke. Dahinter stand der Gedanke, dass die Soldaten der Dämonenarmee, wenn sie einen Menschennamen hatten und die Sprache der Menschenwesen erlernten, sich besser in ihre Feinde hineinversetzen und sie so besiegen könnten. Abbot hasste die Menschenwesen zwar, aber er konnte nicht leugnen, dass er sie trotzdem bewunderte. Außerdem war es politisch nicht unklug, wenn alle Dämonen auf Hybras einander mit Namen ansprachen, die Leon Abbot persönlich ihnen gegeben hatte.
    Rawley packte Nr. 1 am Ohr und schleifte ihn von seinem Tisch zur Rückwand des Klassenzimmers. Dort befand sich eine flache, stinkende Dunggrube, die mit einem Metallgitter abgedeckt war.
    »An die Arbeit, Weichei«, knurrte er. »Du weißt ja, was du zu tun hast.«
    Nr. 1 seufzte. Das wusste er nur allzu gut. Schließlich war es nicht das erste Mal, dass er diese widerwärtige Arbeit erledigen musste. Er nahm einen langen Haken von der Wand und zog das schwere Gitter von der Grube. Der Gestank war abstoßend, aber nicht unerträglich, da sich auf der Oberfläche des Dungs eine Kruste gebildet hatte. Käfer krabbelten über die furchige, eingetrocknete Masse, und ihre Beinchen klickten bei jedem Schritt wie winzige Klauen auf Holz.
    Nr. 1 öffnete die Grube ganz, dann ging er zu dem Klassenkameraden, der ihm am nächsten lag. Wegen des Schleimkokons war es unmöglich festzustellen, wer es war. Das Einzige, was sich bewegte, waren kleine Luftblasen um Mund und Nase. Zumindest hoffte er, dass es Mund und Nase waren.
    Nr. 1 bückte sich und rollte den Kokon über den Boden, bis er in die Grube plumpste. Der verpuppte Knirps krachte durch die Kruste und riss dabei ein Dutzend Käfer mit in den Schlamm darunter. Eine Woge von Dunggestank schlug Nr. 1 entgegen, und er wusste, dass seine Haut noch tagelang danach stinken würde. Die anderen würden ihren Gestank voller Stolz tragen, aber für Nr. 1 bedeutete es nur eine weitere Schande.
    Es war harte Arbeit. Nicht alle krampfenden Knirpse lagen still. Einige zappelten in ihren Kokons, und zweimal durchstach eine Dämonenklaue die grüne Puppe und hätte Nr. 1 fast die Haut aufgeschlitzt.
    Er stöhnte hörbar, während er sich abrackerte, in der Hoffnung, dass Rawley oder Leon Abbot ihm zur Hand gehen würden. Vergeblich. Die beiden Dämonen hockten vorne am Pult, ganz in Lady Heatherington Smythes Hecke vertieft.
    Schließlich rollte Nr. 1 seinen letzten Klassenkameraden in die Dunggrube. Sie lagen dicht an dicht, wie Fleischbrocken in einem zähen Eintopf. Der nährstoffreiche Dung würde ihren Krampf beschleunigen und dafür sorgen, dass sie sich nach bestem Vermögen entwickelten. Nr. 1 saß auf dem Boden und rang nach Atem.
    Ihr Glückspilze , dachte Nr. 1. In Dung getunkt.
    Er versuchte, Neid zu empfinden. Doch allein der Geruch der Grube brachte ihn zum Würgen. Bei der Vorstellung, mitten in dem Zeug zu liegen, umgeben von verpuppten Knirpsen, drehte sich ihm der Magen um.
    Ein Schatten fiel auf die Steinfliesen vor ihm und zuckte im Feuerschein.
    »Ah, Nr. 1«, sagte Abbot. »Der ewige Knirps. Was mache ich nur mit dir?«
    Nr. 1 starrte auf seine Füße und tappte mit den Babykrallen auf den Boden. »Master Abbot, Sir, glauben Sie nicht, es gibt vielleicht doch eine winzige Chance?« Er holte tief Luft und blickte Abbot in die Augen. »Könnte es nicht sein, dass ich ein Zauberer bin? Sie haben doch gesehen, was mit dem Spieß passiert ist. Ich will Sie nicht in Verlegenheit bringen, aber ich weiß, dass Sie es gesehen

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