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Die Verlorene Kolonie

Die Verlorene Kolonie

Titel: Die Verlorene Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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interdimensionalen Krater zu springen, fiel leicht, wenn man seine verpuppten Klassenkameraden in eine verkrustete Dunggrube rollte. In dem Moment, als die Gestankschwaden ihm entgegenschlugen, hatte er das Gefühl gehabt, schlimmer könne es nicht mehr werden. Und irgendetwas in Abbots Stimme hatte die Idee verlockend erscheinen lassen. Doch hier oben, wo ein leichter Wind die Schuppen auf seiner Brust kühlte, erschien ihm das Dasein nicht mehr ganz so trist. Immerhin war er am Leben, und es gab keine Garantie, dass am Boden des Kraters etwas anderes wartete als glühende Lava. Kein Dämon war je lebend zurückgekommen. Nun, zurückgekommen waren sie schon. Einige eingeschlossen in einen Eisblock, andere zu Kohle verbrannt, doch keiner heil und gesund wie der Rudelführer. Jetzt erschienen Nr. 1 die vielen Grausamkeiten, die Abbot ihm zugefügt hatte, unwirklich, schwer zu greifen. Das Einzige, woran er sich genau erinnern konnte, war die wunderbare, lockende Stimme, die ihm gesagt hatte, er solle auf die andere Seite wechseln.
    Mondwahn. Das war der Knackpunkt. Dämonen wurden vom Mond angezogen. Er sang zu ihnen, brachte die Teilchen in ihrem Blut zum Tanzen. Nachts träumten sie von ihm, und die restliche Zeit vermissten sie ihn schmerzlich. Zu jeder Stunde des sogenannten Tages hier auf Hybras sah man Dämonen, die abrupt auf der Straße stehen blieben und zu der Stelle aufblickten, wo der Mond früher gewesen war. Er war ein Teil von ihnen, ein lebendiger, organischer Teil, und auf atomarer Ebene gehörten sie zusammen.
    Im Krater wirkten immer noch Überreste des Zeitbanns. Fetzen von Magie ringelten sich um den Kraterrand und schnappten nach jedem Dämon, der dumm genug war, sich ohne Silber dort herumzutreiben. In diese Magie verwoben war der Gesang des Mondes, der die Dämonen zu sich rief und sie mit Visionen von weißem Licht und Schwerelosigkeit lockte. Hatten sich diese blassen Ranken erst einmal in den Verstand eines Dämons eingeschlängelt, tat dieser alles, um dem Mond näher zu kommen. Die Magie und der Mondwahn wurden eins und schickten Energie in die Atome seines Körpers. Sie versetzten seine Elektronen durch Vibration in eine neue Umlaufbahn, veränderten seine Molekülstruktur und zogen ihn so durch Zeit und Raum.
    Doch es gab nur Abbots Behauptungen als Beweis dafür, dass die Reise auf der Erde endete. Sie konnte genauso gut auf dem Mond enden, und sosehr die Dämonen den Mond auch liebten, wussten sie doch, dass auf seiner kargen Oberfläche nichts und niemand überleben konnte. Die Älteren sagten, dass Feen, die zu nahe an ihn heranflogen, erfroren und mit erstarrten Flügeln und blauen Gesichtern zur Erde stürzten.
    Dennoch wollte Nr. 1 an diesem Tag die Reise wagen. Er wollte, dass der Mond ihn in den Krater lockte und dann irgendwo absetzte, wo ein weiterer Zauberer lebte. Jemand, der ihn lehren würde, seine seltsamen Kräfte zu beherrschen. Doch geknickt musste er sich eingestehen, dass ihm der nötige Mut fehlte. Er brachte es einfach nicht über sich, in einen vor Felsen starrenden Krater zu springen. Der Boden des Vulkans war übersät mit den verkohlten Leichen all jener, die den vermeintlichen Ruf des Mondes vernommen hatten. Woher sollte er wissen, ob es wirklich die Kraft des Mondes war, die ihn antrieb, oder nur Wunschdenken?
    Nr. 1 ließ den Kopf in die Hände sinken. Eigentlich musste er dringend zur Schule zurück. Wenn die Knirpse in der Grube nicht bald umgedreht würden, bekam ihre Haut helle Flecke, die sogenannte Dungbleiche.
    Er seufzte. Es war nicht das erste Mal, dass er aus lauter Verzweiflung hier hinaufgekraxelt war. Doch diesmal sah es so aus, als ob er tatsächlich springen würde. Abbot war in seinem Kopf und drängte ihn vorwärts. Und fast erschien ihm die Vorstellung, auf die Felsen zuzusegeln, erträglich. Fast.
    Nr. 1 spielte mit seinem Silberarmband. Es wäre so leicht, das Kettchen abzustreifen und einfach zu verschwinden.
    Dann streif es ab, Kleiner , sagte eine Stimme in seinem Kopf. Streif es ab und komm zu mir.
    Die Stimme kam für Nr. 1 nicht überraschend. Genau genommen war es eher ein Gefühl als eine Stimme. Die Worte hatte er selbst hinzugefügt. Schließlich unterhielt er sich oft mit Stimmen in seinem Kopf. Sonst gab es ja niemanden, mit dem er reden konnte. Da war Flambard, der Schuhmacher, und Lady Bonnie, die alte Jungfer, und sein Liebling, Bookie, das lispelnde Lästermaul.
    Diese Stimme jedoch war neu. Kraftvoller.
    Ein winziger

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