Die Verlorene Kolonie
vorbeifuhr.
»Tag, Sheriff«, sagte der eine grinsend.
»Schokolade«, quäkte Doodah. Nach dem, was er bisher über Beau wusste, schien es ihm eine passende Entgegnung.
Er tippte kurz das Gaspedal an, um über die Schwelle zu gelangen, und rollte dann langsam über einen edlen Marmorfußboden. Die Reifen rutschten auf dem glatten Untergrund, was ihn ein wenig beunruhigte - falls er abhauen musste, konnte ihn das wertvolle Sekunden kosten. Aber immerhin war der Flur breit genug für eine Kehrtwende, sollte sie nötig werden.
Doodah fuhr den Flur entlang, an einer Reihe von hoch gewachsenen Topfpflanzen und mehreren abstrakten Bildern vorbei, bis er zu einem bogenförmigen Durchgang gelangte. Oben in der Mitte hing eine Kamera, die auf den Eingangsbereich gerichtet war. Ein Kabel schlängelte sich aus dem Gehäuse und verschwand in einem Schutzkanal, der bis zum Boden reichte.
Doodah hielt an und sprang aus dem Auto. Bisher hatte er Glück. Niemand hatte ihn angesprochen. Die Überwachungsanlage dieser Menschenwesen war ein Witz. In jedem unterirdischen Gebäude wäre er bereits ein Dutzend Mal von Laserstrahlen abgetastet worden. Der Wichtel riss ein Stück des Schutzkanals ab, sodass das Kabel darunter zum Vorschein kam. Innerhalb von Sekunden hatte er die Videoklemme daran befestigt. Das war's. Zufrieden grinsend stieg er wieder in sein gestohlenes Auto. Ein netter Deal: Straferlass für fünf Minuten Arbeit. Jetzt konnte er nach Hause fahren und seine Freiheit genießen - zumindest bis er das nächste Mal gegen das Gesetz verstieß.
»Beau Paradizo, du verzogener Bengel. Komm her, aber sofort!«
Doodah schrak zusammen, dann blickte er in den Rückspiegel. Hinter ihm stand ein Mädchen, die Hände in die Hüften gestemmt, und funkelte ihn wütend an. Das, überlegte er, musste wohl Minerva sein. Und wenn sein Gedächtnis ihn nicht täuschte, sollte er ihr tunlichst aus dem Weg gehen.
»Du musst dein Antibiotikum nehmen. Oder willst du ewig mit deiner Bronchitis herumlaufen?«
Doodah startete das Auto. Er würde durch den Bogengang flüchten, außer Sichtweite dieses Menschenmädchens. Sobald er um die Ecke war, konnte er das Gaspedal durchtreten.
»Bleib gefälligst hier, Bobo.«
Bobo? Noch ein Grund mehr, sich vom Acker zu machen , dachte Doodah. Wer wollte schon Bobo genannt werden?
»Äh... Schokolade?«, sagte der Wichtel hoffnungsvoll.
Ein Fehler. Diese Minerva kannte die Stimme ihres Bruders, und das hier war sie nicht.
»Bobo? Ist was mit deiner Stimme?«
Doodah fluchte lautlos. »Braunschietis?«, sagte er.
Doch Minerva war misstrauisch geworden. Sie nahm ein Walkie-Talkie aus der Tasche und bewegte sich mit energischen Schritten auf das Spielzeugauto zu. »Pierre, würden Sie bitte herkommen? Bringen Sie André und Louis mit.« Dann, zu Doodah gewandt: »Bleib schön da, Bobo. Ich habe eine leckere Tafel Schokolade für dich.«
Klar , dachte Doodah. Schokolade und eine Betonzelle.
Er überlegte einen Moment, welche Möglichkeiten er hatte. Sicher war es besser, sich schleunigst aus dem Staub zu machen, als eingekerkert und womöglich zu Tode gequält zu werden.
Nichts wie raus hier , dachte Doodah und trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Mehrere Hundert PS jagten bebend durch die schmale Antriebswelle. In spätestens einer Minute würde die Karre auseinanderfallen, aber bis dahin war er weit weg von dieser Oberirdischen und ihren falschen Schokoladenversprechungen.
Das Auto schoss so rasant davon, dass dort, wo es gestanden hatte, ein Abbild in der Luft zu schweben schien.
Minerva blieb verdutzt stehen. »Was...?«
Vor ihm war die Ecke. Doodah schlug das Lenkrad ein, so weit er konnte, doch der Wendekreis des Autos war zu groß.
»Dann eben mit Billardeffekt«, knurrte Doodah mit zusammengebissenen Zähnen.
Er beugte sich weit nach links, ging vom Gas und ließ den Wagen seitwärts gegen die Wand krachen. Im Moment des Aufpralls verlagerte er sein Gewicht und trat aufs Gas. Das Auto verlor zwar eine Tür, aber es flog um die Ecke wie ein Stein aus einer Schleuder.
Nicht übel , dachte Doodah, als das Dröhnen in seinem Kopf nachließ. Noch ein paar Sekunden, dann wäre er wieder in Sichtweite des Mädchens, und wer weiß, wie viele Wachen zwischen ihm und der Freiheit standen.
Er befand sich in einem langen, geraden Flur, der in ein Wohnzimmer mündete. Doodah konnte einen an der Wand befestigten Fernseher und die Lehne eines roten Samtsofas erkennen. Offenbar lag der Raum
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