Die Verlorene Kolonie
nahmen die Schwingungen der Erde auf, und die beruhigten ihn. Seine drahtigen Barthaare, die wie Sensoren funktionierten, schlängelten sich in jeden Riss im Lehm, sendeten Signale aus und übermittelten Informationen an sein Gehirn. Ein paar Hundert Meter zu seiner Linken nahm Mulch das Graben von Kaninchen wahr. Vielleicht konnte er sich auf dem Rückweg eins schnappen, als kleinen Snack.
Doodah klammerte sich mit aller Kraft fest, das Gesicht starr vor Verzweiflung. Am liebsten hätte er geschrien, aber dazu hätte er den Mund aufmachen müssen. Und daran war nun wirklich nicht zu denken.
Direkt unterhalb von Doodahs Füßen stieß Mulchs Hintern donnernd eine Turbomischung aus Erde und Luft aus, die sie tiefer in den Boden trieb. Doodah spürte, wie ihm die Ausstoßhitze die Beine hinaufkroch. Er musste aufpassen, dass er mit den Stiefeln nicht zu nah an den Auspuff des Zwergs geriet, sonst riskierte er die Zehen.
Mulch brauchte keine Minute bis zu der Klärgrube. Vorsichtig hob er den Kopf aus dem Boden und blinzelte sich mit den dichten, gekräuselten Wimpern die Erdkrümel aus den Augen.
»Volltreffer«, murmelte er und spuckte einen zappelnden Wurm aus.
Doodah kroch über den Kopf des Zwergs nach oben, eine Hand fest auf den Mund gepresst, um nicht zu schreien. Nach ein paar tiefen Atemzügen hatte er sich so weit beruhigt, dass er Mulch anfauchen konnte. »Das hat dir Spaß gemacht, gib's zu!«
Mulch hakte den Kiefer wieder ein und ließ den letzten Rest Tunnelgas ab, was ihn mit einem leisen Plopp aus der Erde katapultierte. »Das ist ein ganz normaler Job für mich, Doodah. Damit sind wir quitt.«
Doodah sah das anders. »Sind wir nicht. Ich hab noch was bei dir gut, wegen der Nummer mit dem Sabber.«
Wahrscheinlich wäre das Geplänkel trotz der Dringlichkeit ihrer Mission noch eine Weile so weitergegangen, wäre nicht ein kleiner Junge mit einem elektrischen Spielzeugauto um den Auffangbehälter gerollt gekommen.
»Hallo. Ich bin Beau Paradizo«, sagte der kleine Mann am Steuer. »Seid ihr richtige Monster?«
Doodah und Mulch hielten starr vor Schreck die Luft an, dann erinnerten sie sich wieder an den Plan.
»Nein, kleiner Junge«, sagte Mulch, dem gerade noch eingefallen war, dass er französisch sprechen musste. Er bemühte sich, freundlich zu lächeln, worin er allerdings wenig Übung hatte. »Wir sind Schokoladenfeen. Und wir haben ein besonderes Geschenk für dich.« Er schwenkte den Schokoriegel durch die Luft, in der Hoffnung, dass die kunstvolle Darbietung das billige Zeug verlockender erscheinen ließ, als es war.
»Schokoladenfeen?«, sagte der Junge und kletterte von seinem Auto. »Hoffentlich ist die Schokolade zuckerfrei. Ich werde nämlich zappelig, wenn ich Zucker esse, und Papa sagt, ich bin auch so schon zappelig genug, aber er hat mich trotzdem lieb.«
Mulch sah auf das Etikett. Achtzehn Prozent Zucker. »Jawoll. Zuckerfrei. Möchtest du ein Stück?«
Beau schnappte sich den ganzen Riegel und verputzte ihn sekundenschnell. »Ihr stinkt. Vor allem du, Zottel. Schlimmer als das verstopfte Klo von Tante Morgana, du Stinkefee.«
Doodah lachte. »Tja, Mulch, was soll ich sagen. Der Kleine hat den Nagel auf den Kopf getroffen.«
»Wohnst du in einem verstopften Klo, Stinkezottelschokofee?«
»He, Kleiner«, sagte Mulch gespielt munter. »Wie wär's mit einem Schläfchen?«
Beau Paradizo boxte Mulch in den Bauch. »Hab doch Mittagsschlaf gemacht, Stinkefee. Mehr Schokolade! Los!«
»Hör auf, mich zu schlagen! Ich habe keine Schokolade mehr.«
Beau boxte ihn erneut. »Ich hab gesagt, mehr Schokolade! Oder ich rufe die Wachen. Und dann steckt Pierre dir die Hand in den Rachen und reißt dir die Eingeweide raus. Das macht er. Hat er mir selbst gesagt.«
Mulch kicherte. »Das möchte ich sehen.«
»Echt?«, fragte Beau strahlend. »Ich hole ihn!« Der kleine Junge rannte los. Er war erstaunlich flink, und bevor Mulchs Verstand sich einschalten konnte, übernahm sein Instinkt die Führung. Der Zwerg setzte dem Jungen mit ausgehaktem Kiefer nach.
»Pierre!«, rief Beau, doch zu mehr kam er nicht, weil Mulch ihn sich geschnappt hatte. Komplett, außer dem Cowboyhut.
»Bloß nicht schlucken!«, zischte Doodah.
Mulch schob den Jungen ein paar Minuten von einer Backe in die andere, dann spuckte er ihn wieder aus. Beau war klatschnass und schlief wie ein Baby.
Mulch wischte ihm das Gesicht ab, bevor der Zwergenspeichel erstarren konnte. »Da ist ein Betäubungsmittel drin«,
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