Die Verlorene Kolonie
Abend.«
»Konzentrier dich«, befahl Holly.
Sie beugte sich ein wenig vor, und Foaly ließ den Helm auf ihren Kopf springen.
Holly schloss das Visier. »Wo ist der Dämon?«
»Eine Etage höher. Zweite Tür links«, antwortete Foaly.
»Gut. Hast du uns aus dem Überwachungssystem gelöscht?«
»Natürlich. Der Dämon ist unsichtbar, und dich können sie auch nicht aufspüren, ganz gleich, was für eine Linse sie benutzen.«
Holly sprang die auf Menschen zugeschnittenen Stufen hinauf. Fliegen wäre einfacher gewesen, aber sie hatte ihre Flügel und den Armbandcomputer draußen gelassen. Ihr war das Risiko zu groß, dass sie in die falschen Menschenhände gerieten, also in andere als die von Artemis. Und selbst dem traute sie nie ganz über den Weg.
Sie lief durch den Flur, an der ersten Tür zur Linken vorbei, und schlüpfte vorsichtig durch die zweite, die offen stand und ihr einen Überblick über den Raum ermöglichte.
Der Dämon saß gefesselt auf einem Stuhl, und das Mädchen telefonierte, den Rücken zu ihm gekehrt. An der einen Wand hing ein großer Tarnspiegel. Dank ihres Thermoscans konnte Holly sehen, dass in dem Raum dahinter jemand saß - ein großer Mann. Offenbar sprach er gerade in sein Handy. Auch er hatte den Blick von der Zelle abgewandt.
»Soll ich ihr eine Ladung verpassen?«, fragte Foaly. »Immerhin hat sie dich mit Schlafgas betäubt.« Sein neues Spielzeug machte ihm Spaß. Das reinste Killerspiel.
»Ich war gar nicht betäubt«, sagte Holly, dank des Helms für jeden außer Foaly unhörbar. »Ich habe die Luft angehalten. Artemis hatte mir gesagt, dass sie Gas verwenden würde, und ich habe sofort die Lüftung eingeschaltet.«
»Was ist mit dem Menschenmann nebenan?«, bohrte Foaly nach. »Ich kann durch das Glas einen Laserstrahl jagen. Echt praktisch, dieser Helm.«
»Halt die Klappe, oder du kriegst Ärger mit mir, wenn ich zurückkomme«, warnte Holly ihn. »Wir schießen nur im Notfall.«
Holly schlich um Minerva herum, sorgsam darauf bedacht, das Mädchen nicht zu berühren oder auf eine knarzende Diele zu treten. Eine falsche Bewegung konnte ihre gesamten Pläne ruinieren. Sie kniete sich vor den kleinen Dämon, den seine missliche Lage nicht allzu sehr zu beunruhigen schien. Im Augenblick war er damit beschäftigt, eine Liste von Wörtern durchzugehen, was ihn sehr zu erheitern schien.
»Füllhorn, oh, das ist gut«, sagte er. Und dann: »Hygiene. Klingt wie Hyäne. Hihi.«
Na toll , dachte Holly. Offenbar hat der Kleine auf seiner Reise ein paar Gehirnzellen eingebüßt. Mithilfe ihrer Stimmsteuerung tippte sie einen Text auf ihr Visier.
»Nicke, wenn du das lesen kannst«, lautete der Text. Für den Dämon sah es so aus, als schwebten die Worte in der Luft.
»Nicke, wenn du das...«, las er, dann brach er ab und nickte heftig.
»Schon gut, hör auf!«, sendete Holly. »Ich bin eine Elfe. Gehöre zur ersten Familie der Unterirdischen. Ich bin hier, um dich zu retten. Verstehst du?«
Keine Antwort, also textete Holly: »Nicke einmal, wenn du verstanden hast.«
Ein einzelnes Nicken.
»Gut. Bleib einfach ganz still, um alles andere kümmere ich mich.«
Wieder ein Nicken. Der kleine Dämon lernte schnell.
Foaly hatte sein Konterfei mittlerweile auf die Innenseite von Hollys Visier verschoben.
»Fertig?«, fragte der Zentaur.
»Ja. Behalte den Oberirdischen nebenan im Auge. Falls er sich umdreht, kannst du ihm eine Ladung verpassen.«
Holly griff in ihren rechten Ärmel und tastete mit den Fingern nach der Innentasche. Das ist nicht so einfach, wie es klingt, denn wenn eine Elfe ihren Sichtschild aktiviert hat, vibriert sie mit einer Geschwindigkeit, die schneller ist, als das menschliche Auge wahrnehmen kann. Immerhin erleichterte ihr der Spezialanzug das Manöver, indem er einen Teil der Vibration absorbierte. Holly zog ein großes Stück von der Tarnfolie heraus, die automatisch ein ziemlich genaues Abbild des jeweiligen Hintergrundes projizierte. Die Tarnfolie bestand aus zahllosen winzigen Elfendiamanten, deren Facetten das Licht in jedem beliebigen Winkel reflektieren konnten.
Sie stellte sich dicht vor Nr. 1 und hielt die Tarnfolie hoch. Dank der mit Multisensoren ausgestatteten Oberfläche konnte Foaly nun mit einem Mausklick Nr. 1 aus der Projektion löschen. Für Minerva würde es so aussehen, als ob ihr Dämon sich einfach in Luft aufgelöst hatte. Für Nr. 1 hingegen würde es so aussehen, als ob absolut gar nichts passierte - die langweiligste
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