Die verlorene Tochter (Romantik Thriller /Unheimlich) (German Edition)
Arbeitgeber mit seinem Titel ansprach.
Obwohl sie sich erst seit einigen Wochen kannten, überlegte Sharon, was sie Lord Winslow antworten sollte, falls er sie je um ihre Hand bitten würde. Sie war bereit gewesen, Edward Brown zu heiraten, obwohl sie ihn nicht geliebt hatte. Doch sie hatte ihm von ganzem Herzen vertraut. Bei Lord Winslow dagegen wußte sie nicht, ob sie ihm wirklich vertrauen konnte.
Wie kommst du nur auf die Idee, er könnte dich jemals um deine Hand bitten? dachte sie und versuchte, über sich selbst zu lachen. Trotz aller Freundlichkeit war Lord Winslow ein sehr standesbewußter Mann. Er würde niemals eine Frau heiraten, die nicht aus seinen Kreisen stammte.
Es klopfte.
"Ja, bitte!" rief Sharon und hörte im selben Moment, wie auch Lord Winslow, dessen Arbeitszimmer im Nebenraum lag, "He rein" rief. Sie blickte zur Verbindungstür. Sie stand einen Spalt breit offen.
"Hallo, Vincent, hier bin ich wieder", erklang die Stimme von Miß Price. Gleich darauf wurde eine Tür geschlossen.
Sharon war sich klar, daß das Klopfen nicht ihr gegolten hatte. Sie überlegte, ob sie aufstehen sollte und die Verbindungstür schließen, aber sie wagte es nicht. Sie befürchtete, von nebenan gehört zu werden. Sie wollte nicht, daß Lord Winslow oder gar Jessica Price glaubten, sie würde lauschen.
"Jessica, was sollen diese ständigen Besuche?" fragte Lord Winslow bar jeder Höflichkeit. "Ich habe zu tun."
"Nur fünf Minuten, Vincent. So viel deiner kostbaren Zeit wirst du mir doch widmen können." In Jessicas Stimme schwang ein ironischer Unterton. "Oder wartet deine kostbare Mistreß Miles auf dich?"
"Laß bitte Mistreß Miles aus dem Spiel."
"Entschuldige." Jessica lachte auf. "Ich wollte dich nur fragen, ob du mich nicht doch zu der Party bei den Sinclairs begleiten möchtest. Immerhin haben sie auch dir eine Einladung geschickt. Es ist mehr als unhöflich, sie zu ignorieren."
"Du weißt, was ich von den Sinclairs halte. Nein, ich habe nicht vor, mich in dieses zweifelhafte Vergnügen zu stürzen."
"Lieber hockst du mit deiner sogenannten Sekretärin vor dem Kamin und unterhältst dich über die Familiengeschichte", warf ihm Jessica vor. "Allerdings frage ich mich, ob es nicht noch gewisse andere Dinge gibt, die..."
"Du vergißt dich."
"Und du scheinst zu vergessen, daß man bereits über dich zu klatschen beginnt. Immerhin fällt auf, wie oft man dich mit Mistreß Miles sieht."
"Mach dich doch nicht lächerlich, Jessica. Ich habe nun einmal etwas gegen Partys. Außerdem hast du nicht den geringsten Grund zur Eifersucht."
"Ich mache mir nur Sorgen", behauptete sie. Obwohl Sharon die junge Frau nicht sehen konnte, stellte sie sich vor, wie sich Jessica mit beiden Händen auf den Schreibtisch des Lords stützte.
"Du hast meine Gesellschaft nicht gepachtet, Jessica", antwo rtete Lord Winslow ungeduldig."
"Machst du dir denn überhaupt nichts mehr aus mir?"
"Wir sind niemals mehr als Freunde gewesen." Seine Stimme senkte sich etwas. "Ich sage es nicht gerne, aber wir würden besser miteinander auskommen, wenn du mir hin und wieder etwas Luft zum Atmen lassen würdest."
"Das war deutlich."
"Ich hatte vor, deutlich zu sein."
Sharon überlegte, ob sie nicht doch aufstehen und die Tür schließen sollte. Ganz vorsichtig schob sie ihren Stuhl zurück und wollte schon zur Tür gehen, als Jessica sagte: "Hast du es wirklich nötig gehabt, dir mit einer neuen Sekretärin auch noch ein Kind ins Haus zu holen?"
"Davon abgesehen, daß das meine Angelegenheit ist, habe ich die kleine Julie sehr gern."
"Merkst du denn nicht, wie diese Frau sich an dich heranmacht und dazu deine Schwäche für kleine Ki nder ausnutzt?"
"Ich habe Mistreß Miles gebeten, eine Stelle bei mir anzune hmen und nicht umgekehrt."
Sharon beschloß, die Bibliothek zu verlassen. Sie huschte über den dicken Teppich zu der Tür, die in die Halle führte. Leise öf fnete sie die Tür und trat nach draußen. Lord Winslow hatte Miß Price mehr oder weniger gebeten, sein Haus zu verlassen. Sie nahm an, daß er zu ihr kommen würde, gleich nachdem Jessica gegangen war. Es erschien ihr besser, daß er dann die Bibliothek leer vorfand, denn er durfte niemals erfahren, daß sie dieses Gespräch belauscht hatte. Es würde für sie beide peinlich sein.
Die junge Frau stieg gerade die Treppe hinauf, als die Tür des Arbeitszimmers schallend zufiel. Sie blieb stehen und beobachtete, wie Miß Price hocherhobenen Hauptes durch die Halle
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