Die verlorene Tochter (Romantik Thriller /Unheimlich) (German Edition)
ging.
Plötzlich wandte sich Jessica um und entdeckte Sharon. Ihre Augen wurden dunkel vor Wut. "Freuen Sie sich nicht zu früh, Mistreß Miles", sagte sie schneidend. "Lord Winslow ist kein Mann, der sich mit einer simplen Sekretärin zufrieden geben würde."
Sharon antwortete ihr nicht. Sie war froh, daß sich kein Pers onal in der Halle aufhielt und sie konnte nur hoffen, daß Jessicas Worte auch niemand gehört hatte. Ohne Miß Price zu antworten, stieg sie weiter die Treppe hinauf.
Die junge Frau hatte fast den ersten Stock erreicht, als sie plötzlich ein kleines Mädchen auf der Galerie entdeckte. Es schien dasselbe Kind zu sein, das sie bereits bei den Klippen gesehen hatte. "Hallo!" rief sie ihm zu.
"Hallo", erwiderte die Kleine lächelnd, doch bereits im nächsten Augenblick war sie verschwunden.
Das gibt es doch nicht, dachte Sharon. Scheinbar träumte sie doch schon mit offenen Augen. Es... Erschrocken hielt sie sich am Geländer fest, denn aus einem der Gänge erklang ganz klar und deutlich: "Twinkle, twinkle, little star ..."
Konnte es sich bei dieser Erscheinung um Violas Geist handeln? Konnte...? Ach, Unsinn, es gab keine Geister. Sharon war immer stolz darauf gewesen, ein sehr nüchtern denkender Mensch zu sein. Wie würden ihre Londoner Freunde lachen, wenn sie behauptete, den Geist eines kleinen Mädchens gesehen zu haben. Entschlossen stieg die Sekretärin die Treppe zum zweiten Stock hinauf. Ganz sicher war sie nur wieder von ihrer Phantasie genarrt worden.
11. Kapitel
"Ich glaube, wir machen Schluß für heute", meinte Vincent Lord Winslow und schlug das dicke Notizbuch zu, aus dem er Sharon diktiert hatte. "Habe ich Ihnen schon einmal gesagt, daß Sie ausgezeichnete Arbeit leisten? Ich meine nicht nur in Bezug auf die Chronik, sondern auch, was meine Privatkorrespondenz betrifft. Ich bin sehr glücklich, Sie und Julie bei mir zu wissen."
"Danke, Lord Winslow", erwiderte die junge Frau verlegen. "Davon abgesehen glaube ich, daß eine andere Sekretärin genauso gute Arbeit leisten könnte."
"Mag sein", gab er zu, "aber durch Sie und Julie habe ich zum erstenmal seit Jahren wieder so etwas wie eine Familie. Für mich brach eine Welt zusammen, als ich meine kleine Tochter verlor. Viola war für mich der größte Besitz. Sie..."
"Es muß hart sein, ein Kind zu verlieren", sagte Sharon, während sie sich gleichzeitig fragte, warum ihr Arbeitgeber so selten seine Frau erwähnte. War für ihn der Tod seiner Frau nicht auch ein großer Verlust gewesen? Immerhin waren Viola und Lady Winslow an ein und demselben Tag ums Leben gekommen.
Er setzte sich ihr gegenüber an den Schreibtisch. "Julie gleicht meiner kleinen Tochter auffallend. Nicht nur in ihrem Aussehen, sondern auch in ihrem Wesen. Viola ..." Lord Winslow seufzte auf. "Was hatte ich mit ihr für Zukunftspläne." Er schüttelte den Kopf. "Von einer Minute zur anderen, von einer Sekunde zur a nderen..." Heftig stieß er den Atem aus. "Es wäre besser, nicht daran zu denken. Aber wie könnte ich jemals den Tod meiner Tochter vergessen?" Er bedachte Sharon mit einem innigen Blick. "Wie gesagt, durch Sie und Julie ist wieder etwas Freude in mein Leben gekommen."
Sharon wollte etwas sagen, doch im selben Moment klopfte es. Gleich darauf trat der Butler ein. So aufgeregt hatte sie Jones noch nie erlebt. Seine grauen Augen strahlten vor Freude. "Euer Lor dschaft... Euer Lordschaft...", er holte tief Luft, "...Master Steven ist vorgefahren. Er..."
Lord Winslow sprang auf. Sein Gesicht war aschfahl gewo rden. "Mein Bruder ist aus dem Ausland zurückgekehrt?" Unglauben schwang in seiner Stimme. Bevor Jones noch antworten konnte, eilte er bereits in die Halle.
"Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh ich bin, Sie wiede rzusehen, Master Steven", meinte Mrs. Hale und drückte die Hand des jungen Mannes, der vor ihr stand.
"Es ist schön, zu Hause willkommen geheißen zu werden", e rwiderte Steven Winslow und zog die Hausdame in seine Arme. "Ich habe Sie vermißt, Edda."
"Was tust du hier?"
Steven ließ Hausdame los. Er wandte sich seinem Bruder zu. "Ich komme nach Hause", erwiderte er ruhig. "Du hast doch hoffentlich nicht vergessen, daß ich bis zu meinem Tod Wohnrecht auf Winslow Manor habe."
Lord Winslow holte tief Luft. "Man sollte meinen, daß du nicht auf diesem Recht beharren würdest, nach allem, was geschehen ist." Die Kälte in seiner Stimme schien die Fensterscheiben zum Klirren zu bringen. Sharon, die ihrem Arbeitgeber
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