Die verlorene Tochter (Romantik Thriller /Unheimlich) (German Edition)
die Stelle als Privatsekretärin angeboten hatte. Doch Julie war nicht Viola, auch wenn sie ihn an seine Tochter erinnerte. Die junge Frau befürchtete, daß ihm das eines Tages ganz deutlich bewußt werden würde, und er dann Julies Anblick vielleicht nicht mehr ertragen konnte. Gut, daß sie ihre Londoner Wohnung nicht aufgegeben hatte. So herrlich das Leben auf Winslow Manor auch schien, sicher konnte sie Ihres Bleibens keineswegs sein.
9. Kapitel
Während der nächsten beiden Wochen lebten sich die Miles' gut auf Winslow Manor ein. Sharon bereute es keinen Augenblick, London verlassen zu haben. Auch wenn sie noch immer befürc htete, daß Lord Winslow eines Tages erkennen würde, daß er Viola nicht mit einem fremden kleinen Mädchen zurückholen konnte und er ihr dann ihre Stelle kündigen würde, genoß sie ihren Aufenthalt auf dem alten Herrensitz.
Lord Winslow erwies sich als äußerst angenehmer Arbeitgeber, für den es Freude machte zu arbeiten. Er hatte für sie einen Schreibtisch in die Bibliothek stellen lassen, so daß sie jederzeit alles, was sie brauchte, in ihrer Nähe hatte. Immer wieder zeigte er ihr, wie sehr er sie schätzte.
Jeden Morgen wurde Julie vom Chauffeur der Winslows in den nahen Ort zur Vorschule gefahren und mittags wieder abgeholt. Ihre Freizeit verbrachte sie viel mit Lord Winslow. Er ging mit ihr und Robin im Park spazieren, zeigte ihr die Stellen, an denen er als Kind gespielt hatte und gab ihr sogar Reitunterricht. Zudem hatte er sie veranlaßt, schön geformte Steine zu sammeln, so wie es auch seine Tochter getan hatte.
Mit beinahe väterlichem Stolz blickte der Herr von Winslow Manor von der Terrassenbrüstung in den Park hinunter, wo Julie mit Robin auf dem Rasen spielte. "Sie ist ein zauberhaftes Kind", bemerkte er zu Sharon, die ihm gegenüber am Teetisch saß. "Von Tag zu Tag macht mir Ihre Tochter mehr Freude. Ich bin sehr froh, daß mich Miß Price damals überreden konnte, mit ihr zur Modenschau nach London zu fahren."
"Es wundert mich, daß Miß Price Sie während der letzten Wochen nicht besucht hat", erwiderte Sharon und sagte sich dann, daß es ihr nicht zustand, derartige Bemerkungen zu machen.
"Das braucht Sie nicht zu wundern, Mistreß Miles", antwortete der Lord. "Miß Price hält sich zur Zeit in Frankreich auf. Soviel ich weiß, kommt sie Anfang nächster Woche zurück."
"Weiß Miß Price, daß Sie mich eingestellt haben?"
"Nein, ich habe ihr nichts davon gesagt." Lord Winslows Li ppen umhuschte ein amüsiertes Lächeln. "Ich pflege meine Entscheidungen nicht mit meinen Nachbarinnen abzusprechen, Mistreß Miles."
"So meinte ich das auch nicht", verteidigte sich Sharon err ötend. "Ich..."
"Schon gut, kein Grund, verlegen zu werden." Er berührte ihre Hand. "Wenn wir..."
"Vincent!"
Vincent Lord Winslow wandte sich überrascht um. "Jessica, wo kommst du denn her?" fragte er ohne jede Begeisterung. "Ich dachte, du wärst noch in Frankreich." Er blickte Sharon an. "So kann man sich tä uschen, Mistreß Miles."
"Ich bin heute morgen zurückgekehrt", antwortete Jessica Pr ice. Sie strich mit einer lasziven Bewegung an ihrem eleganten, hellblauen Rock hinunter. "Ich sehe, du hast Besuch." Sie warf Sharon einen mißtrauischen Blick zu.
"Nein, Besuch würde ich es nicht nennen, Jessica", meinte Lord Winslow. "Mistreß Miles ist meine neue Privatsekretärin. Sie und die kleine Julie wohnen jetzt hier." Er lächelte der jungen Frau zu. "Ich brauche euch ja nicht mehr miteinander bekanntzum achen."
"Nein, wohl kaum", erklärte Jessica von oben herab. Sie reichte Sharon, die aufgestanden war, die Hand. "Es freut mich, Sie wi ederzusehen, Mistreß Miles. Sicher werden Sie und Ihre Tochter sich auf Winslow Manor sehr wohl fühlen. Man findet nicht jeden Tag einen Arbeitgeber, mit dem man so ungezwungen Tee trinken kann."
"Ja, Julie und ich fühlen uns hier sehr wohl, Miß Price", erw iderte Sharon. Sie fühlte, wie sehr sich Jessica beherrschen mußte, um wenigstens die äußerste Form der Höflichkeit zu wahren. Ob sie in ihr eine Rivalin sah? Fast konnte man es annehmen. Selten zuvor war ihr ein Mensch unsympathischer gewesen als diese Frau.
"Vincent, ich habe dir so viel zu erzählen", sagte Jessica. "Du ahnst nicht, was ich alles in Frankreich erlebt habe. Laß uns hi neingehen und ein Glas Sherry miteinander trinken."
"Wäre dir eine Tasse Tee nicht lieber?" fragte Lord Winslow. Sharon merkte ihm an, daß er sich über Jessicas Besuch keine
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