Die verlorene Tochter (Romantik Thriller /Unheimlich) (German Edition)
gebrochene Rippen, Prellungen und Abschü rfungen scheint Ihr Bruder keine besonderen Verletzungen davongetragen zu haben, Lord Winslow", erwiderte der junge Arzt und schaute zu ihm auf. "Natürlich werden wir Mister Winslow in der Klinik röntgen."
"Du scheinst wirklich Glück gehabt zu haben, Steven." Der Lord beugte sich über Steven. "Hast du gr oße Schmerzen?"
"Es geht", antwortete der Bildhauer gepreßt.
Sein Bruder richtete sich auf. "Ich werde dich begleiten", sagte er.
"Das ist nicht nötig, Vincent", lehnte Steven ab. "Ich komme ganz gut alleine zurecht."
"Das sieht man." Lord Winslow wies zum Turm. "Es war irrsinnig, dort ein Atelier einzurichten. Hätte ich nur niemals ..."
"Wir sollten gehen." Der Arzt wies die Sanitäter an, die Trage mit dem jungen Mann vorsichtig hochzuh eben.
"In Gedanken bin ich bei Ihnen, Mister Winslow." Sharon drückte die Hand des Verletzten. "Alles Gute."
"Danke." Steven lächelte ihr zu. "Machen Sie sich keine Sorgen. Unkraut vergeht nicht."
"Wie kommst du nur auf die Idee, daß sich Mistreß Miles um dich sorgen könnte?" bemerkte sein Bruder.
"Ich nehme an, daß es an dem ist", erklärte Steven und schloß erschöpft die Augen.
Im Kreise der anderen beobachtete Sharon, wie Stevens Trage in den Krankenwagen geschoben wurde. Die Türen schlossen sich. Lord Winslow nahm neben dem Fahrer Platz. Keine zwei Minuten später fuhr der Krankenwagen durch die Allee auf die Auffahrt zu.
"Er schafft es doch immer wieder, sich in den Mittelpunkt zu drängen", meinte Jessica Price sarkastisch. Sie hatte sich den Vormittag mit Lord Winslow anders vorgestellt. Es war ihr ohnehin nicht recht gewesen, daß er den Reitausflug so frühzeitig beendet hatte. Erbittert preßte sie die Hände zusammen.
"Mister Winslow wird seinen Unfall kaum geplant haben", sagte Sharon alles andere als freundlich. Miß Price wurde ihr mit jedem Tag unsympathischer. Sie konnte nicht verstehen, daß Lord Winslow sie zu se inen Freunden zählte.
"Woher wollen Sie das so genau wissen?" fragte die junge Frau und sah sie böse an. "Steven hat schon ganz andere Sachen fertig gebracht." Sie wandte sich um und ging zu ihrem Pferd, das sie neben dem Lord Winslows an eine Platane gebunden hatte.
16. Kapitel
Lord Winslow kehrte erst am späten Nachmittag aus dem Krankenhaus zurück. Er kam mit dem Taxi. Wenige Minuten nach ihm wurde sein Bruder mit dem Krankenwagen gebracht. Zwei Sanitäter trugen Steven zu seinem Zimmer hinauf. In ihrer B egleitung befand sich eine ältere Krankenschwester, die während der nächsten Tage die Pflege des Bildhauers übernehmen sollte. Sie hieß Abigail Winter und machte einen sehr energischen Eindruck.
"Mit der ist bestimmt nicht gut Kirschen essen", bemerkte Mrs. Hale zu Sharon. "Ich kenne diese Sorte Frauen. Miß Winter wird sich in alles und jedes einmischen. Gar nichts wird man ihr recht machen können."
"Sehen Sie da nicht zu schwarz, Mistreß Hale?" fragte Sharon lachend. "Ich bin überzeugt, Miß Winter wird sich nur um Mister Winslow kümmern." Beiläufig fügte sie hinzu: "Wissen Sie inzwischen, wie schwer seine Verletzungen sind?"
"Nein, bis jetzt noch nicht, Mistreß Miles. Aber es kann nichts Lebensbedrohliches sein, sonst hätte man Master Steven nicht schon nach Hause entlassen."
Sharon trat ans Fenster und schaute zum Turm hinüber. Noch vom Krankenhaus aus hatte Lord Winslow eine Baufirma beauftragt, mit den Aufräumarbeiten zu beginnen. Zudem sollte untersucht werden, wie es zum Einsturz der Decke kommen konnte. Die junge Frau sah ihren Chef mit dem Vorarbeiter zusammenstehen.
"Ich wünschte, Master Steven hätte nach seiner Rückkehr g enau überprüft, ob die Trägerbalken der Decke in den letzten Jahren nicht vermodert sind", bemerkte Edda Hale. "Es war leichtsinnig, einfach wieder mit der Arbeit zu beginnen."
"Die Balken sahen eigentlich ziemlich stabil aus", meinte Sh aron. Bei ihrem ersten Besuch im Atelier waren ihr die massiven Deckenbalken sofort aufgefallen. Zudem hatte es weder faul noch modrig gerochen.
"Und doch müssen sie durch und durch morsch gewesen sein." Die Hausdame seufzte auf. "Nun ja, jetzt ist daran nichts mehr zu ändern. Das Unglück ist schon passiert. Ich hoffe nur, daß die Skulpturen von Master Steven nicht allzu großen Schaden g enommen haben."
Sharon setzte sich wieder an ihren Schreibtisch, kaum daß Mrs. Hale die Bibliothek verlassen hatte. An diesem Tag war sie noch nicht sehr weit mit ihrer Arbeit gekommen.
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