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Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Titel: Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckart Klessmann
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ärztlicher Versorgung verblutet waren. Manche barg man gar erst nach fünf Tagen, die sie ohne Nahrung und Wasser, Regen und den schon sehr kalten Nächten ausgesetzt, überdauern mußten. Wer sich noch bewegen konnte, schnitt sich Fleisch aus den Kadavern der Pferde.
    Albrecht Adam: Am Morgen nach der Schlacht von Borodino. – Adam zeichnete einen Teil des mit etwa 80 000 Toten und Verwundeten bedeckten Schlachtfelds. Vereinzelt suchen Soldaten nach Überlebenden.
    Friedrich Klinkhardt, Musikmeister des 2. westphälischen Husaren-Regiments, verlor in der Schlacht fast alle seine Musiker. Denn ihre Aufgabe bestand nicht allein darin, am Morgen »lustig ihre Weisen« zu spielen, sondern auch mitzukämpfen, wenn es erforderlich war. Oft stellte man diese Militärkapellen in die Mitte großer Infanterie-Karrees, wo sie durch ihr Spiel die Moral der Verteidiger stärken sollten und dabei auch noch beschossen wurden. Klinkhardt suchte noch vor Ende der Schlacht nach seinen versprengten Musikern und kam dabei zu der gerade eroberten Rajewski-Schanze: »In der Nähe der Schanze hatte ein russisches Kürassier-Regiment gehalten, das anscheinend infolge der Explosion der Pulverkarren vernichtet worden war. Von ferne gesehen, bemerkte man nur schwarzen Brandstaub und mehrere ›Misthaufen‹, wenigstens dem Anschein nach. Trat man indessen näher, so erkannte man die verbrannte Gestalten der Reiter und Pferde, vor allen Dingen die ersteren an den ledernen Kürassen. Ein entsetzliches Bild boten die Bäume eines hinter derSchanze liegenden Wäldchens; sie waren fast sämtlich zersplittert und um die Stümpfe hingen Reste von Menschenleibern jeder Art.«
    Friedrich von Harpprecht vom 4. württembergischen Regiment »König« der berittenen Jäger hatte eine Kanonenkugel das rechte Bein zerschmettert, das oberhalb des Knies amputiert werden mußte. Solch eine Operation war extrem schmerzhaft, denn sie erfolgte ohne Betäubung. Anästhesie wurde beim Militär erst nach 1840 eingeführt. Opium war zwar bekannt, wurde aber trotz seiner schmerzstillenden Wirkung nicht verwendet, und das auf Opium basierende Morphium, schon 1804 entwickelt, gab es nicht in größerer Menge. Wie so ein Eingriff aussah, zeigt der Bericht eines Soldaten: »Über der Stelle, wo das Bein oder der Arm abgenommen werden sollte, wurde es mit einem Tuche fest zugebunden, natürlich um den zu starken Zudrang des Blutes zu hindern. Nun wurde ein Schnitt rundum bis auf den Knochen geführt, sofort das Fleisch zurückgedrängt und der Knochen durchgesägt. Dann wurden mit einer Zange die Adern hervorgezogen und unterbunden, auch etliche mit einem Eisen durchgebrannt, das Fleisch wurde wieder hervorgezogen und Charpie – gezupfte Leinwand, mit Kalk- oder Bleiwasser getränkt – darauf gelegt. Dies alles war eine Arbeit von etlichen Minuten, und die Operation war geschehen.« Für Chefchirurg Larrey mußte eine Amputation innerhalb von drei Minuten abgeschlossen sein.
    Harpprechts optimistischen Lebensmut konnte auch diese Prozedur nicht dämpfen, immerhin wurden die Verwundeten im Lazarett ordentlich versorgt, wie sein Brief vom 23. September aus dem Hospital in Moshaisk an seine Eltern bezeugt: »Wir werden regulär und gut verbunden, und seit mehreren Tagen haben wir immer genug und gut zu essen, und wir werden es auch in Zukunft haben.« Doch wie würde seine Zukunft als »Krüppel« aussehen? »Und nun, meine teuren geliebten Eltern! hängt mein ganzes Schicksal eigentlich nur von Ihren Ansichten ab. Können Sie sich noch auf die Zurückkunft einesSohnes freuen, der Ihnen zwar ein hölzernes Bein, aber ein warmes, von Liebe für seine Eltern, von Liebe zum Guten überwallendes Herz mitbringt; können Sie sich daran gewöhnen, mit einem Menschen zu leben, der zwar ein Krüppel ist, aber im Dienste seines Königs und als braver Kerl zum Krüppel geschossen wurde; können Sie endlich Gott recht herzlich für die Erhaltung meines Lebens danken, in der festen Überzeugung: daß in dieser reichen Welt noch so unzählige Freuden für mich blühen; – o! dann ist ja alles gut! dann mache ich mich, sobald Körper und Witterung und Himmel es zulassen, frisch und fröhlich auf, heim in das liebe, teure Vaterhaus, von dem mich alsdann nur der Tod trennen soll. (…) In einigen Monaten, vielleicht schon in 4–6 Wochen, bin ich so kuriert, daß ich jede Reise in einem bequemen Wagen unternehmen kann. Geben mir dann die Ärzte Erlaubnis zum Reisen und ist die Witterung

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