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Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Titel: Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckart Klessmann
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Generals Michail Andrejewitsch Miloradowitsch erzählte später Leutnant von Kurz, daß die Kosaken ihre Gefangenen an die Bauern verkauften, um sie zu Tode martern zu lassen: »Manche wurden an Bäume gebunden und dienten zur Zielscheibe, andern wurden Ohren, Nase und andere Gliedmaßen abgeschnitten, bis sie, so verstümmelt, ihren Geist aufgaben. Ein Pope (Geistlicher) des Dorfes, in welchem die Bewohner gegen 30 dieser Unglücklichen gekauft hatten und der noch etwas menschlich dachte, verhinderte die den Armen zugedachten Grausamkeiten und stellte seiner Herde vor, daß es ihre Religion ausdrücklich verbiete, Blut zu vergießen. Um aber doch ihre Rache an den Feinden des Vaterlandes ohne Sünde ausüben zu können, rate er ihnen, das Eis auf dem nahen, tiefen See zu öffnen und diese Nichtswürdigen, einen nach dem andern, in den See zu versenken, welches Los den Armen auch zuteil wurde. Tausende in der Armee endeten während des Krieges – oft unter zahllosen Martern – unter den Händen der ergrimmten Landleute auf ähnliche Weise.«
    Auf seiten der Russen waren diese Greueltaten nicht unbekannt. Leutnant Boris Uxkull hatte schon am 18. September, also noch während des Rückzugs der russischen Armee, diese Art von Menschenhandel erlebt: »Als ich ein Dorf durchritt, um Lebensmittel zu requirieren, habe ich beobachtetet, wie ein französischer Gefangener für 20 Rubel an die Bauern verkauft wurde; diese tauften ihn mit siedendem Pech und spießten ihn lebend auf ein zugespitztes Eisenstück auf! Welch ein Greuel! 0 Menschlichkeit – wie stöhnst du!«
    »Ich erinnere mich«, schreibt Friedrich von Schubert, »daß mir später bei unserem Vorrücken ein alter freundlicher Bauer von ihren Angriffen auf die Franzosen erzählte und mir sagte, sie hätten einst etwa 30 französische Soldaten mit ihrem Offizier, einem sehr großen und schönen Mann, gefangen.›Nun, was habt ihr denn mit ihnen angefangen? Totgeschlagen?‹ – ›Ja, totgeschlagen, Väterchen.‹ – ›Aber mit dem Offizier?‹ – ›Ja was, Väterchen! Er tat uns leid, es war ja so ein herrlicher, stattlicher Kerl. Wir überdachten es also reiflich und bestimmten endlich, er solle eines natürlichen Todes sterben; wir nahmen ihn also, banden ihn an einen Baum und hetzten die Kinder auf ihn, damit sie das Schießen erlernten. Aber bedenkt, was das für ein lebenskräftiges Tier war: Fünfzehn Flintenkugeln mußte man ja in ihn hineinsetzen, ehe er starb.‹ Das nannten sie Mitleid haben und eines natürlichen Todes sterben.«
    Leutnant Karl von François, ein in der russischen Armee dienender Deutscher, gehörte zum Husarenregiment Sumski, das einen Teil der Kutusowschen Avantgarde unter General Miloradowitsch bildete und den Trümmern der Grande Armée unmittelbar folgte: »Am 9. November kamen wir mit unserm Regimente auf einem Platze an, welcher mit mehreren hundert toter Franzosen bedeckt war. Wir hatten von keinem vorher stattgefundenen Gefechte gehört, und es fiel uns auf, daß die Franzosen sämtlich mit Lanzenstichen getötet waren sowie daß kein einziger Russe unter ihnen lag. Aber das Rätsel löste sich, als wir bald darauf auf einen Haufen russischer Landwehren ( Druschina ) stießen, welche unbefangen erzählten, daß sie die Franzosen niedergestochen hätten, da sie ihnen von den Kosaken zwar als Gefangene zum Rücktransport, aber zugleich mit dem spöttischen Bemerken übergeben worden wären: sie könnten sich an diesen Ungläubigen im Stechen üben.«
    Beim Vorrücken der russischen Armee, zwischen Wjasma und Smolensk, stieß der englische General in Kutusows Hauptquartier Sir Robert Wilson zusammen mit den anderen Generalen Miloradowitsch, Benningsen und Korff auf eine Schar von Bauernweibern, »die mit Stöcken in der Hand um einen gefällten Kiefernstamm tanzten, zu dessen beiden Seiten ungefähr 60 nackte Gefangene auf dem Boden, mit den Köpfenaber auf dem Baumstamm lagen, auf welche diese Furien nach dem Takt eines ›Nationalliedes‹, das sie miteinander heulten, mit den Knitteln losschlugen, während mehrere hundert bewaffnete Bauern als Wächter dieser schrecklichen Orgie ruhig zusahen. Als sich die Reiter näherten, stießen die unglücklichen Gequälten ein herzzerreißendes Gejammer aus und schrien unaufhörlich: La mort, la mort (den Tod, den Tod!)
    In der Nähe von Dorogobusch wandt sich eine junge und schöne Französin nackt im Schnee, der ringsum mit Blut befleckt war. Als sie Stimmen hörte, erhob sie den

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