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Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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zur Nr. 7 und versuchte, sich ihre Mutter als junge Frau vorzustellen, eine junge Gesellschafterin, die die Stufen zur Tür hochstieg.
    In diesem Moment wurde hinter ihr die Tür geöffnet, und die hübsche junge Frau, die Laurel beim letzten Mal gesehen hatte, stand in der Öffnung, ein Kleinkind auf dem Arm. »Na so was«, rief die Frau aus und blinzelte mit ihren blauen Augen. » Sie sind das.«
    Laurel war es gewöhnt, erkannt zu werden, aber irgendetwas war anders an der Art, wie die Frau das gesagt hatte. Sie lä chelte, und die Frau errötete. Sie wischte sich die Hand an ihren Jeans ab und streckte sie Laurel entgegen. »Verzeihen Sie«, sagte sie. »Wo sind bloß meine Manieren geblieben? Ich bin Karen, und das ist Humphrey …« Sie tätschelte den Hintern des Babys, woraufhin die blonden Locken an ihrer Schulter sich bewegten und ein himmelblaues Auge Laurel scheu anschaute. »… und ich weiß natürlich, wer Sie sind. Freut mich, Sie kennenzulernen, Ms. Nicolson.«
    »Bitte, nennen Sie mich Laurel.«
    »Laurel.« Karen biss sich auf die Unterlippe, nervös und zugleich erfreut, dann schüttelte sie ungläubig den Kopf. »Julian hat mir erzählt, dass er Sie gesehen hat, aber ich dachte … Manchmal ist er ein bisschen …« Sie lächelte. »Er hat also recht gehabt. Mein Mann flippt aus, wenn er Sie sieht.«
    Du bist Daddys Lady . Laurel hatte das deutliche Gefühl, dass hier mehr vor sich ging, als sie begriff.
    »Wissen Sie, er hat mir noch nicht einmal gesagt, dass Sie kommen würden.«
    Laurel sagte ihr nicht, dass sie sich nicht angemeldet hatte; sie wusste immer noch nicht, wie sie ihr Kommen erklären sollte. Sie lächelte.
    »Kommen Sie doch rein. Ich rufe Marty. Er ist auf dem Dach boden.«
    Laurel folgte Karen in den vollgestellten Flur – um einen Kinderwagen herum, durch ein Meer aus Bällen und Drachen und Kinderschuhen – in ein gemütliches, helles Wohnzimmer. Eine Wand wurde komplett von einem weißen Bücherregal eingenommen, und überall lagen Bücher herum. An einer Wand hingen Kinderbilder neben Familienfotos mit lauter lachenden Gesichtern. Beinahe wäre Laurel über ein Kind gestolpert, das auf dem Boden lag. Es war der kleine Junge, den sie beim letzten Mal gesehen hatte. Er lag auf dem Rücken, in einer Hand ein Lego-Flugzeug, das er über sich kurven ließ, während er dazu leise Motorengeräusche machte. Er war voll kommen vertieft in sein Spiel. »Julian«, sagte seine Mutter. » Juju! Lauf nach oben, mein Schatz, und sag Daddy, dass wir Besuch haben.«
    Der Junge blinzelte und kehrte in die Wirklichkeit zurück. Laurel sah, dass er sie erkannte. Ohne ein Wort und ohne das Motorengeräusch zu unterbrechen, brachte Julian das Flugzeug auf seinen neuen Kurs, rappelte sich auf und folgte ihm die Treppe hoch.
    Während Karen in die Küche ging, um Tee zu machen, setzte Laurel sich auf das bequeme, rot-weiß gemusterte Sofa mit Filzstiftflecken und lächelte das Baby an, das auf dem Teppich saß und mit seinem kleinen Fuß eine Rassel anstieß.
    Auf der Holztreppe waren eilige Schritte zu hören, und dann erschien ein großer, gut aussehender Mann mit wuscheligem braunen Haar und einer Brille mit schwarzem Gestell in der Wohnzimmertür. Sein Sohn folgte ihm auf den Fersen. Der Mann strahlte übers ganze Gesicht, als er Laurel sah, streckte ihr seine große Hand entgegen und schüttelte so ungläubig den Kopf, als wäre sie eine Erscheinung. »Meine Güte«, sagte er, als ihre Hände sich berührten und ihm allmählich klar wurde, dass sie ein Mensch aus Fleisch und Blut war. »Und wir haben gedacht, Julian würde uns Märchen erzählen, aber da sind Sie tatsächlich.«
    »Ja, da bin ich.«
    »Ich bin Martin«, sagte er. »Aber nennen Sie mich Marty. Und verzeihen Sie, dass ich Sie so ungläubig anstarre, aber … ich unterrichte Schauspiel am Queen Mary College, wissen Sie, und ich habe meine Doktorarbeit über Sie geschrieben.«
    »Wirklich?« Du bist Daddys Lady . Tja, das erklärte es also.
    » Zeitgenössische Interpretationen von Shakespeares Tragödien . Das Thema ist nicht so trocken, wie es klingt.«
    »Das glaube ich Ihnen.«
    »Und jetzt … sind Sie tatsächlich hier.« Er lächelte, legte die Stirn leicht in Falten, dann lächelte er wieder. Er lachte, ein angenehmes Lachen. »Verzeihen Sie. Das ist einfach so ein unglaublicher Zufall.«
    »Hast du Ms. Nicolson … äh, Laurel« – Karen errötete, als sie ins Wohnzimmer kam – »von Granpa erzählt?« Sie stellte

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