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Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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In solchen Zeiten war keine Zeit für viele Worte, denn in der nächsten und in der übernächsten Nacht würde wieder das Gleiche passieren. Der Krieg ließ dem Einzelnen keinen Raum für große Trauerfeiern, wie Jimmy sie als Junge im Bestattungsunternehmen seines Vaters erlebt hatte, aber er sagte sich, dass seine Fotos das Geschehen wenigstens dokumentierten, dass eines Tages, wenn alles vorbei war, die Überlebenden die Bilder sehen und sagen würden: »Genau so war es.«
    Als Jimmy schließlich in die Küche ging, hatte sein Vater die Suche nach was auch immer aufgegeben und saß in Schlafanzughose und Unterhemd am Tisch. Er war gerade dabei, seinem gelben Kanarienvogel Krümel von zerbrochenen Keksen zu füttern, die Jimmy für ein paar Pennys erstanden hatte. »Hier, Finchie«, sagte er, während er den Zeigefinger durch die Gitterstäbe des Vogelkäfigs steckte. »Hier, friss.« Er drehte sich um, als er Jimmy hinter sich hörte. »Junge, Junge, hast du dich fein gemacht!«
    »Ein bisschen.«
    Sein Vater musterte ihn von oben bis unten, und Jimmy hoffte inständig, dass er den Anzug nicht wiedererkannte. Nicht dass sein Vater ihm das gute Stück nicht geliehen hätte – er war die Großzügigkeit in Person –, aber die ganze Sache konnte verwirrende Erinnerungen wecken, die den alten Mann nur aufregen würden.
    Doch sein Vater nickte nur anerkennend. »Du siehst gut aus, Jimmy«, sagte er gerührt. »Richtig gut. Auf so einen Sohn kann ein Vater nur stolz sein.«
    »Übertreib nicht, Dad«, erwiderte Jimmy sanft, »sonst bild ich mir noch was ein, und dann hältst du’s am Ende nicht mehr mit mir aus.«
    Sein Vater, der immer noch nickte, lächelte schwach.
    »Wo ist deine Schlafanzugjacke, Dad? Im Schlafzimmer? Ich hole sie dir – wir wollen doch nicht, dass du dich erkältest, oder?«
    Sein Vater schlurfte hinter ihm her, blieb jedoch mitten im Flur stehen. Als Jimmy aus dem Schlafzimmer zurückkam, stand er immer noch dort, einen verdutzten Ausdruck im Gesicht, als versuchte er, sich zu erinnern, warum er vom Tisch aufgestanden war. Jimmy fasste ihn am Ellbogen und führte ihn wieder in die Küche. Er half ihm in die Schlafanzugjacke und setzte ihn auf seinen gewohnten Platz.
    Der Wasserkessel war noch halb voll, und Jimmy setzte ihn noch einmal auf den Herd. Gott sei Dank hatten sie wieder Gas. Bei einem Bombenangriff vor ein paar Tagen waren die Gasleitungen beschädigt worden, und Jimmys Vater hatte sich gesträubt, abends ohne seinen Tee ins Bett zu gehen. Jimmy gab zwei Löffel Tee in die Kanne, nicht mehr. Tee war knapp bei Hopwood’s, und er wollte nicht riskieren, dass er ihnen vorzeitig ausging.
    »Bist du zum Abendessen wieder da, Jimmy?«
    »Nein, Dad. Ich hab dir doch gesagt, dass ich heute Abend ausgehe und erst spät zurückkomme, erinnerst du dich? Ich hab dir ein paar Würstchen auf den Herd gestellt.«
    »In Ordnung.«
    »Kaninchenwürstchen, leider. Aber zum Nachtisch hab ich etwas ganz Besonderes für dich organisiert. Rate mal, was! – Eine Apfelsine!«
    »Eine Apfelsine?« Die Augen seines Vaters leuchteten. »Ich hab einmal eine Apfelsine zu Weihnachten bekommen, Jimmy.«
    »Wirklich?«
    »Da war ich noch ein kleiner Knirps. Eine schöne, große Apfelsine. Mein Bruder Archie hat sie gegessen, als ich nicht aufgepasst hab.«
    Der Wasserkessel pfiff, und Jimmy goss den Tee auf. Sein Vater weinte leise, wie immer, wenn der Name Archie fiel. Sein älterer Bruder war vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren im Schützengraben gefallen. Jimmy übersah die Tränen seines Vaters. Er hatte mit der Zeit verstanden, dass die Trauer seines Vaters so schnell verflog, wie sie kam, und dass es am besten war, ihn einfach abzulenken. »Diesmal brauchst du dir keine Sorgen zu machen, Dad«, sagte er. »Niemand wird dir die Apfelsine wegnehmen.« Er goss einen ordentlichen Schluck Milch in die Tasse seines Vaters. Sein Vater mochte Tee mit Milch, und die Milch ging ihnen zum Glück nie aus, dank Mr. Evans, der in der Scheune neben seinem Laden zwei Kühe hielt. Zucker war eine andere Sache, da musste ein bisschen Kondensmilch als Ersatz herhalten. Er rührte um und stellte die Tasse vor seinen Vater auf den Tisch. »Hör zu, Dad. Die Würstchen bleiben in der Pfanne noch eine Weile warm, du brauchst also den Herd nicht einzuschalten, hörst du?« Sein Vater schob ein paar Kekskrümel für Finchie auf dem Tischtuch zusammen. »Hast du das verstanden, Dad?«
    »Was denn?«
    »Deine Würstchen sind

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